Neues zur Reanimation – Das ILCOR Update 2017

Bisher hat ILCOR, das „International Liason Comitee on Resuscitation“ die Evidenz zur Behandlung des Herz-Kreislauf Stillstandes alle 5 Jahre analysiert und Empfehlungen abgegeben. Diese Praxis hat sich nun geändert und ILCOR wird jährliche neue Empfehlungen veröffentlichen. Wir haben die Empfehlungen aus dem Jahr 2017 für Euch gelesen und zusammengefasst.


International Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care Science With Treatment Recommendations Summary.

Olasveengen TM, de Caen AR, Mancini ME, et al.

Circulation. 2017;136(23):e424-e440.

Link zum Artikel (Open Access)


Infograph ILCOR bullet_final3.jpg

Die Autoren sprechen auf Grundlage neuester Evidenz 6 Empfehlungen aus. Nachfolgend findet ihr den Originaltext in englischer Sprache, sowie unsere Übersetzung samt einiger Anmerkungen:

Angeleitete Telefon-Reanimation

  • We recommend that dispatchers provide chest compression–only CPR instructions to callers for adults with suspected out-of-hospital cardiac arrest (OHCA) (strong recommendation, low-quality evidence).
  • Wir empfehlen, dass Disponenten Anrufer im Falle eines vermuteten Kreislaufstillstandes dazu anleiten, Wiederbelebungsmaßnahmen in Form von Herzdruckmassage ohne Beatmungen durchzuführen (starke Empfehlung, sehr niedrige Evidenz).

Diese Empfehlung ist insbesondere für all jene Leitstellen interessant, die noch keine angeleitete Telefonreanimation implementiert haben.  Diese wurde in den Leitlinien (ERC Guidelines) erstmals 2010 empfohlen. Die Leitstelle soll den Anrufer anleiten, beim Erwachsenen nur die Herzdruckmassage (compression-only CPR) durchzuführen. Studien haben einen leichten Überlebensvorteil gegenüber der konventionellen  Herzdruckmassage mit Beatmung gezeigt. Dieser Vorteil resultiert wahrscheinlich aus der geringeren „No-Flow“ Zeit, da die Notfallbeatmung (Mund-zu-Mund Beatmung) durchaus einiger Übung bedarf. Flächendeckende Erste-Hilfe Kurse mit obligatorischen Auffrischungseinheiten könnten die Situation in dieser Hinsicht verbessern.

BLS bei Erwachsenen

  •  We continue to recommend that bystanders perform chest compressions for all patients in cardiac arrest (good practice statement). In the 2015 CoSTR, this was cited as a strong recommendation but based on very-low-quality evidence.
    We suggest that bystanders who are trained, able, and willing to give rescue breaths and chest compressions do so for all adult patients in cardiac arrest (weak recommendation, very-low-quality evidence).
  • Wir empfehlen weiterhin, dass Anwesende bei allen Patienten mit Herzstillstand die  Thoraxkompression durchführen (gute Praxis). Dafür gab CoSTR im Jahr 2015 eine strenge Empfehlung heraus. Diese basierte jedoch auf einer sehr niedrigen Evidenz. Wir empfehlen, dass Anwesende die trainiert, fähig und willens sind, die Reanimation von Erwachsenen mit Beatmung („rescue breaths“) und Herzdruckmassage durchzuführen (schwache Empfehlung, sehr niedrige Evidenz).

Diese Empfehlung ist ebenfalls nicht neu und wird in dieser Form von sehr vielen Kursanbietern im Bereich der Ersten Hilfe gelehrt. Hintergrund der Empfehlung ist immer, dass etwas Herzdruckmassage besser ist als nichts zu tun. Darüber hinaus ist allgemein anerkannt, dass eine suffiziente und möglichst kurz unterbrochene Herzdruckmassage von größter Wichtigkeit für das Überleben der Patienten ist.

BLS bei Kindern und Kleinkindern

  • We suggest that bystanders provide CPR with ventilation for infants and children ≪18 years of age with OHCA (weak recommendation, very-low-quality evidence).
    We continue to recommend that if bystanders cannot provide rescue breaths as part of CPR for infants and children ≪18 years of age with OHCA, they should at least provide chest compressions (good practice statement).
  • Wir empfehlen, dass Ersthelfer außerhalb des Krankenhauses bei der Herz-Kreislauf-Wiederbelebung von Kleinkindern und unter 18-Jährigen die Herzdruckmassage mit Beatmung durchführen  (schwache Empfehlung, sehr niedrige Evidenz).
    Wie auch bisher üblich empfehlen wir, dass Ersthelfer bei der Wiederbelebung von Kleinkindern und unter 18-Jährigen zumindest eine Herzdruckmassage vornehmen sollten und dies auch wenn sie keine initiale Beatmung („rescue breath“) durchführen möchten (gute Praxis).

Bei der Kinderreanimation hat die Beatmung einen noch größeren Stellenwert als bei der Erwachsenenreanimation.  Dies beruht auf der Tatsache, dass ein großer Teil der Herzstillstände bei Kindern eine hypoxische Ursache hat – die Beatmung kann hier die Ursache des Kreislaufstillstandes beheben.

Herzdruckmassage in der Präklinik (GAME CHANGER!)

  • We recommend that EMS providers perform CPR with 30 compressions to 2 ventilations or continuous chest compressions with PPV delivered without pausing chest compressions until a tracheal tube or supraglottic device has been placed (strong recommendation, high-quality evidence).
    We suggest that when EMS systems have adopted minimally interrupted cardiac resuscitation, this strategy is a reasonable alternative to conventional CPR for witnessed shockable OHCA (weak recommendation, very-low-quality evidence).
  • Wir empfehlen, dass die Notfalldienste die kardio-pulmonale Reanimation im Verhältnis von 30:2 durchführen oder eine kontinuierliche  Herzdruckmassage mit Positive Pressure Ventilation kombinieren bis der Tubus oder SGA liegen (starke Empfehlung, hohe Evidenz). Die Durchführung einer nur minimal unterbrochenen Herzdruckmassage  ist unserer Meinung nach eine akzeptable Alternative zur herkömmlichen CPR bei Patienten mit beobachtetem und defibrillierbarem Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb des Krankenhauses (schwache Empfehlung, sehr niedrige Evidenz).

Empfohlen werden drei verschiedene Vorgangsweisen:

  • Konventionelle CPR im Verhältnis 30:2
  • Ununterbrochene Herzdruckmasse und Beatmung
  • Ununterbrochene Herzdruckmassage mit passiver Oxygenierung (GAME CHANGER!)

Die letzte Technik wird typischerweise mit einem oro- oder nasopharyngealem Atemweg (Wendl- oder Guedel Tubus) und einer Sauerstoffmaske mit hohem Gasfluss (≥15l/min für einen Fi02 von annähernd 100%) angewendet. Dabei erfolgen in den ersten Analysephasen (typischerweise 3 Zyklen) nur Thoraxkompression, Defibrillation und erweiterte Maßnahmen (Gefäßzugang, Medikamente). Anschließend wird der Atemweg definitiv gesichert und es folgt eine konventionelle Reanimation mit Thoraxkompressionen und Beatmungen.

Hier findet sich eine wirkliche Neuheit: Es gibt eine Empfehlung mit starker Evidenz für eine kontinuierliche Herzdruckmasse, auch wenn noch keine endotracheale Intubation vorgenommen wurde. Diese Empfehlung schließt auch die Beutel-Masken-Beatmung mit ein. Diese Vorgehensweise ist in der Praxis wenig verbreitet. Bislang ging man davon aus, dass ein gesicherter Atemweg vorhanden sein sollte bevor Beatmungen während der Herzdruckmassage erfolgen. (Grund dafür war die Befürchtung, dass eher der Magen als die Lunge ventiliert wird).Infograph ILCOR_final

Kontinuierliche Herzdruckmassage nach der Atemwegssicherung (GAME CHANGER!)

  • Whenever tracheal intubation or a supraglottic airway is achieved during in-hospital CPR, we suggest that providers perform continuous compressions with PPV delivered without pausing chest compressions (weak recommendation, very-low-quality evidence).
  • Sobald im Krankenhaus während eines Herz-Kreislauf-Stillstandes ein Endotrachealtubus oder eine supraglottische Atemwegshilfe platziert wurde, empfehlen wir den Behandlern ununterbrochen die Herzdruckmassage  in Kombination mit PPV durchzuführen und dies ohne Pausen für die Herzdruckmassage (Schwache Empfehlung, sehr niedrige Evidenz).

Diese Empfehlung ist ebenfalls teilweise neu, insbesondere die Erwähnung des supraglottischen Atemweges könnte die Praxis in einigen Bereichen ändern. Die Empfehlung ist im Lichte der oben erwähnten Tatsache zu sehen, dass die möglichst ununterbrochene Herzdruckmassage angestrebt werden sollte.

Verhältnis der Thoraxkompressionen zu Beatmungen

  • We suggest a CV ratio of 30:2 compared with any other CV ratio in patients with cardiac arrest (weak recommendation, very-low- quality evidence).
  • Wir empfehlen bei Herz-Kreislauf-Stillstand das vergleichweise bessere Kompressions/Ventilations-Verhältnis von 30:2 (schwache Empfehlung, sehr niedrige Evidenz).

Für diese Empfehlung wurden verschiedene Studien herangezogen, die ein Verhältnis von 15:2 oder 5:1 mit der gegenwärtigen Empfehlung 30:2 verglichen. Dabei zeigte sich, dass das Verhältnis von 30:2 jeder anderen Variante überlegen war. Dies gilt jedoch nur bei erwachsenen Patienten!


Die Reanimation ist ein laufend erforschtes Thema zu dem sich auch im Jahr 2018 viele spannende Erkenntnisse ergeben werden. Wir halten Euch auf dem Laufenden!
Infograph als PDF
Peer Review by @vademecum2016

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1 Kommentar

  1. Der Artikel ist ja nicht ganz richtig… es wird eine 30:2 Reanimation oder eine durchgängige CPR mit kontinuierlicher Beutel-Masken-Beatmung empfohlen, bis ein Tubus oder supraglottischer Atemweg liegt. Das Komitee stellt die kontinuierliche Flow-Beatmung aufgrund fehlender Werte und Wissenslücken aktuell noch in frage (deshalb nur eine schwache Empfehlung).
    Wenn ich jetzt draußen eine hohe gegen eine niedrige Empfehlung abwäge, wäre es sehr dünnes Eis mich für die niedrige Empfehlung auszusprechen…

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