112 – Notfallnarkose

Notfallnarkose muss einfach sein, weil sie unter Zeitdruck in schwieriger Umgebung und meist mit ad-hoc-teams funtionieren muss. Seit der Veröffentlichung der DGAI/BDA Empfehlungen zur prähospitalen Notfallnarkose (Bernhard M. et al. 2015) und des prähospitalen Airwaymanagements (Timmermann T. et al. 2012) gibt es tragfähige Empfehlungen in Deutschland, an denen sich Notärzte orientieren können. Diese Empfehlungen sind aber immer noch sehr breit und diskutieren fast jedes nur verfügbare Medikament zur Narkose.
Hier soll der Versuch gemacht werden, eine einseitige, visualisierte SOP/Checkliste vorzustellen, die sinnvoll eine Handvoll Medikamente vorschlägt. Hierzu gehe ich auf einige Medikamente besonders ein, während ich andere, die ich nicht favorisiere, auch nicht diskutiere. Diese 112 – Notfallnarkose genannte Checkliste haben wir von meinem weiteren blog www.globalEMS.net übernommen, wo die Checkliste 2015 erstmalig veröffentlicht wurde.
Warum 112 – Notfallnarkose?
Damit mann es sich merken kann. 1 mg/ kg esKETAmin + 1 mg/kg ROCuronium + 2 mcg/kg fentaNYL. Auf die Details gehe ich weiter unten ein.
Warum einseitige, visuelle Checkliste?
Damit man seine Materialien direkt auf die Vorlage legen kann, wenn sie fertig präpariert sind
112- Notfallnarkose
Welche Narkosemedikamente?
Ich bin der Meinung, daß Es-Ketamin ein ausgezeichnetes Hypnotikum und Analgetikum ist und zudem sehr gut geeignet  für das Atemwegsmanagement bei instabilen Patienten ist. Ich kann mir Es-Ketamin als primäres Einleitungsmedikament für alle Patienten vorstellen.
Als Dosierung würde ich die DGAI- Empfehlung mit Es-Ketamin 1,0 mg /kgKG empfehlen.
Für die Notfall- Narkose für Kardio- Patienten würde ich persönlich Ketamin oder  Etomidate präferieren. Da ich aber aus der Diskussion zur Nebenniereninsuffizienz weiß, daß Etomidate in vielen Abteilungen unerwünscht ist, halte ich es für nicht zielführend Pro- und Kontra- Argumente in epischer Breite auszutauschen. Ketamin hat in der Praxis auch kein standing  für Kardio- Patienten, obwohl es keine schlagende Literaturstelle gibt. Aus diesem Grunde orientiere ich mich an der DGAI- Empfehlung und würde Midazolam 0,2 mg/kgKG als alternatives Einleitungshypnotikum zu Ketamin für kardiologische Patienten zur Notfallnarkose unterstützen.
Welches Relaxans?
Bei der Wahl des Relaxanz geht es um die Minimierung der Gefährdung des Patienten und der Schaffung optimaler Intubationsbedingungen. Es gibt viele gut Gründe für Succinylcholin, wie die große Erfahrung mit dem Medikament und die kurze Wirkdauer zeigen. Dabei ist aber nicht das unerwünschte Wirkungsprofil mit Hyperkaliämie, Herzrhythmusstörungen bis zur Asystolie und Maligne Hyperthermie zu vernachlässigen.
Mit Rocuronium steht ein effektives und sicheres Medikament zur RSI zur Verfügung. Als Antagonist wird Sugammadex in fast allen Klinken auf der ITS, im OP und/oder im Schockraum vorgehalten. Die Gabe von Succinylcholin ist innerklinisch zur RSI unter diesen Umständen schon schwer zu rechtfertigen.  Bei richtiger Indikationsstellung zur prähospitalen Notfallnarkose fällt außerdem der einzige Vorteil von Succi (nämlich die kurze Wirkdauer mit der vermeintlichen Möglichkeit zur Rückkehr zur Spontanatmung bei CV-CI-Situation) weg. Eine Empfehlung der DGAI zur Rückkehr zur Spontanatmung konnte ich in den Handlungsempfehlungen für das präklinische Atemwegsmanagement nicht finden. Des Weiteren erlauben die Daten von Lyon et al. für die Präklinik den Schluß zu, daß Rocuronium schnell und sicher optimale Intubationsbedingungen schafft. Darüber hinaus scheint Rocuronium ein besseres Sicherheitsprofil zu bieten, da die Apnoezeit länger sein könnte (Taha SK et al.).
Ich würde die Wahl von Rocuronium 1,0 mg/kgKG (wie DGAI- Empfehlung) aus den oben genannten Gründen in der Präklinik und im Schockraum unterstützen.
Um diese Checkliste breit anwendbar zu machen, habe ich als Alternative des Weiteren Succinylcholin 1,0 mg/kgKG mit aufgenommen.
Womit Analgesie?
Was die Analgesie anbetrifft, würde ich auch die Empfehlung der DGAI mit Fentanyl 2 mcg/kgKG unterstützen.
Womit wir bei der einprägsamen Dosierung von 1-1-2 (Es-Ketamin 1 mg /kgKG + Rocuronium 1 mg/kgKG + Fentanyl 2 mcg/kgKG) im Standardfall wären.
Ist Atemwegsmanagement ein Selbstläufer?
Alle Notärzte müssen eine Qualifikation im Atemwegsmanagement vorweisen. Der Umfang ist in den Handlungsempfehlungen der DGAI zum präklinischen AW- Management nachzulesen.
Nicht-atemwegskompetente Ärzte sollten keine Narkose machen.
CV-CI (can not ventilate – can not intubate) Situationen können im präklinischen Atemwegsmanagement vorkommen. Die Rückkehr zur Spontanatmung ist in den Handlungsempfehlungen der DGAI nicht vorgesehen und wird nicht empfohlen. Die Rückkehr zur Spontanatmung ist bei richtiger Indikation zur Notfall-Narkose auch nicht möglich, da die Patienten entweder einen hämorrhagischen oder sonstigen Schock, eine akute respiratorische Insuffizienz mit NIV-failure oder schwerwiegende Bewustseinsstörungen mit Aspirationsgefahr haben. Der einzige richtige Weg präklinisch ist alternative Atemhilfsmittel einzusetzen und dann ggf. die Indikation zum Notfall-chirurgischen Atemweg zu stellen. Aus diesem Grund sehe ich auch nicht die Notwendigkeit Sugammadex präklinisch mitzuführen.
Das PDF zum download:  112- Notfallnarkose
Literatur

  • Bernhard M. et al.  Handlungsempfehlung: Prähospitale Notfallnarkose beim Erwachsenen. Anästh Intensivmed 2015;56:317-335
  • Timmermann T. et al. Handlungsempfehlung für das präklinische Atemwegsmanagement. Für Notärzte und Rettungsdienstpersonal. Anästh Intensivmed 2012;53:294-308)
  • Lyon et al. Significant modification of traditional rapid sequence induction improves safety and effectiveness of pre-hospital trauma anaesthesia Critical Care 2015, 19:134)
  • Taha SK et al. Effect of suxamethonium vs rocuronium on onset of oxygen desaturation during apnoea following rapid sequence induction. Anaesthesia. 2010 Apr;65(4):358-61
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12 Kommentare

    1. Das liegt im Auge des Betrachters. Fentanyl vertieft die Narkose zusätzlich und verlängert die Analgesie. Dies ist aber sicher nicht zwingend erforderlich. Ich persönlich halte es für sinnvoll und daher die Empfehlung meinerseits.

  1. Mir fehlt in diesem Beitrag der ear-to-sternal-notch, um eine optimierte Lagerung sicherzustellen. Das gehört unter den improvisierten Verhältnissen im Rettungsdienst einfach auf jede checkliste, finde ich.
    Und mich würde noch interessieren, wo der Autor die Grenzen der „Atemwegskompetenz“ sieht und welche Möglichkeiten er – angesichts des Mangels an Notärzten und dem zunehmenden Ersatz von ITNs durch Larynxmasken in der Anästhesie – für Möglichkeiten sieht, diese beizubehalten.

    1. Hallo Peter, Danke für Deinen Kommentar.
      „Atemwegskompetent“ ist schwierig zu definieren. Ich würde es als die Fähigkeit beschreiben, eine alveoläre Oxigenierung sicherzustellen. Als Goldstandard gilt sicherlich die endotracheale Intubation. Um diese „hoch-qualifiziert“ unter schwierigen Bedingungen durchführen zu können sind laut jüngster Literatur ca 243 Intubationen im Erfahrungsschatz notwendig. (Kim SY et al. How much experience do rescuers require to achieve succesful tracheal intubation during cardiopulmonary resuscitation? Resuscitation 2018, online first).
      Ob für die Reanimation eine Intubation notwendig ist, kann seit der PARAMEDIC-2 Studie bezweifelt werden. Da aber noch eine weitere Reihe an Indikationen zur Intubation in der Präklinik auftauchen können und die Intubation von der Leitlinie als Goldstandard festgelegt wurde, kommt man um eine solche „Atemwegskompetenz“ nicht umhin.

      1. Ja – aber um kompetent zu BLEIBEN (und ich denke, dass da das Problem bei vielen Kollegen in der Präklinik liegt) gibt es nicht genügend Möglichkeiten, wenn man nicht in der Klinik arbeitet.
        Sollen die Kollegen dann deiner Meinung nach nicht mehr fahren?

        1. Naja, es werden 10 Intubationen/ Jahr empfohlen, um drin zu bleiben. Zur Not kann man auch ein Simulationstraining absolvieren, dafür gibt es auch noch CME‘s. Ein Minimum an Fortbildung kann man schon auch von reinen Präklinikern erwarten…

  2. Als Anästhesist mit den Schwerpunkten Intensiv- und präklinische Notfallmedizin begrüße ich den Artikel. Erschreckend ist im Übrigen festzustellen, dass es sogar Dozenten in Notarztkursen gibt, die auch in 2018 noch die Empfehlung aussprechen, präklinisch sollten Nichtanästhesisten kein Relaxans benutzen. Wenn ich schon als Nichtroutinierter intubieren möchte, dann doch bitte unter optimalen Bedingungen.
    Die Argumentation zur Nichtrückkehr zur Spontanatmung kann ich nur unterstreichen. Ebenso befürworte ich die flächendeckende Verfügbarkeit von Rocuronium in der Präklinik.
    (Und persönlich bevorzuge ich zur Hypnose Propofol, kenne aber auch die Agrumentation um die hämodynamische Stabilität und sehe da beim Unerfahrenen beim Schockpatienten durchaus den Vorteil des Esketamin)

    1. Hallo Kollege Goß, vielen Dank für den unterstützenden Kommentar. Es freut mich Gleichgesinnte zu finden. Leider muss ich bezüglich der Relaxantien sagen, daß eine fehlenden Relaxierung durch nicht – „atemwegskompetente“ Kollegen schon Patienten das Leben gerettet hat. So kenne ich zum Beispiel oesophageal intubierte Patienten, die spontan am Tubus vorbei geatmet haben…
      Für die „Atemwegskompetenz“ (siehe vorangegangenen Kommetar) ist natürlich auch das Erkennen von fehlender alveolärer Oxigenierung nach einem Atemwegsmanöver essentiell. Hierbei hat der leitliniengerechte Einsatz von Kapnometrie einen hohen Stellenwert.
      Was Propofol anbetrifft, ist die Substanz unter kontrollierten Bedingungen das A und O. Für die Präklinik wollte ich es in der Checkliste kurz und prägnant haben. Daher meine Empfehlung für Es-Ketamin.

      1. Was die ösophageale Fehlintubation betrifft, kann ich mir aber nicht verkneifen zu sagen, dass dann ja gleich alle Kompetenzen fehlen: Fehlende sichere Intubationszeichen, etCO2-Monitoring nicht etabliert. Und im Umkehrschluss gibt es Patienten mit schweren Hypoxien und Aspirationen, weil die RSI nicht gelungen ist bei fehlender Relaxierung.
        Da unterstreiche ich nochmal Ihre Argumentation und die der DGAI: Wenn die Indikation zur Intubation steht, dann führt der Weg nur nach vorne zum sicher beatmeten Patienten 🙂
        (Im Zweifelsfall darf das dann auch supraglottische Hilfen umfassen, da liegt die Situation nochmal anders, aber das ist auch wieder eine andere Diskussion)

        1. Sicher sollte man sich von solchen Einzelfallberichten nicht beirren lassen:
          Zu der Notfallnarkose gehört eine Relaxierung und beim Atemwegsmanagement in der Präklinik geht es nur geradeaus.
          Liebe Grüße
          Joachim Unger

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