Reanimieren wir falsch?

Reanimieren wir falsch? Und nein, ich rede hier nicht von Medikamenten, Atemwegssicherung oder anderen mitunter strittigen Themen, es geht um das Fundament aller Dinge, etwas, das jedem Kind heutzutage in der Schule beigebracht wird:
Thoraxkompressionen.
Das ist mal ausnahmsweise keiner meiner schlechten Witze. Forschungsergebnisse legen nämlich nahe, dass das Herumgedrücke auf Brustkörben, wie es zur Zeit gelehrt wird, oft ineffektiv ist – warum erfahrt ihr jetzt.

Einstieg & Hintergrund

Der eigentliche Sinn von Herzdruckmassage ist ja, das Herz als Pumpe des Kreislaufs zu ersetzen und weiterhin Blut im Körper zirkulieren zu lassen, insbesondere zu den lebenswichtigen Organen. Warum das durch Thoraxkompressionen funktioniert? Das ist interessanterweise noch gar nicht abschließend geklärt. Es gibt verschiedene Meinungen, unter anderem die ‚cardiac pump‘ und die ‚thoracic pump‘-Theorie. Näher wollen wir hier auf die verschiedenen Modelle nicht eingehen – nur so viel: Bei der ‚cardiac pump theory‘ geht man davon aus, dass durch direkte Kompression des Herzens ein Blutstrom erzeugt wird. Beim ‚thoracic pump model‘ nimmt man an, dass durch die Kompression des Brustkorbs an sich innerhalb des Thorax Druckgefälle erzeugt werden, wodurch ein Blutfluss zustande kommt. Es gibt auch noch andere Modelle (z.B. left atrium pump), aber die zwei genannten reichen für unsere Zwecke erstmal aus.
Derzeitige Lehrmeinung
Zur Lokalisation der Hände bei Thoraxkompressionen wurde früher einmal die Intermamillar-Linie (Verbindungslinie zwischen den Brustwarzen) gelehrt, liebevoll ‚Nippel-Linie‘ genannt, die einem auch heutzutage noch oft über den Weg läuft. Das wurde inzwischen vereinfacht – laut internationalem Konsens sollte der Druckpunkt auf der ‚unteren Sternumhälfte‘ liegen, die Hände sollten ‚auf die Mitte des Brustkorbs gelegt werden‘. Das ist jetzt im Vergleich zur gedachte Linie zwischen den Brustwarzen von der Lokalisation kein großer Unterschied, sondern lediglich ungenauer definiert und damit für den Laien verständlicher und einfacher aufzufinden.
Der optimale Kompressionspunkt
Weil das Herzminutenvolumen sich aus nur zwei Größen zusammensetzt – nämlich der Herzfrequenz (während Reanimation fix bei ~110bpm) und dem Schlagvolumen, kann man also durch möglichst großen Auswurf aus den Herzkammern (=Schlagvolumen) mehr Herzminutenvolumen erzeugen. Logischerweise sollte man es nach dem cardiac pump model für eine effektive Reanimation darauf auslegen, den Punkt der maximalen Thoraxkompression (auf Englisch: AMC – area of maximum compression) über den Herzkammern zu halten. Dennoch erreicht man unter besten Reanimationsbedingungen nur maximal 20-30% des normalen Herzminutenvolumens.
Ist die Position der Hände und damit die AMC zu weit oben, dann drückt man munter auf dem VOT (Ventrikulärer Ausflusstrakt, also der Ausflussbahn des Blutes aus den jeweiligen Herzkammern) beziehungsweise auf der Herzklappen-Ebene herum. Die Aortenklappe freut sich also über Streicheleinheiten, aber leider sorgt man so nicht nur für wenig Blutfluss, sondern verhindert diesen noch dazu aktiv durch Kompression der VOTs, Klappen und der Aorta, man versperrt also den einzigen Ausweg, den das Blut aus der Herzkammer hat. Das Ganze ist inzwischen keine Theorie mehr, sondern konnte in mehreren Arbeiten bestätigt werden, doch dazu später.

Die Evidenz

Mit Hilfe von Tee, und zwar keinem Schwarz- oder Himbeer-Vanille-Ingwer-Tee, sondern transösophagealer Echokardiografie (abgekürzt TEE) während laufender Reanimation kann man die AMC gut darstellen und auch sonst die Qualität der Kompressionen beurteilen. Genau das haben einige Vorreiter gemacht und Erstaunliches entdeckt. Erst gucken wir uns aber mal an, welche Strukturen sich eigentlich hinter welchen Bereichen des Thorax verstecken – wo macht es rein anatomisch gesehen am meisten Sinn, den Brustkorb zu komprimieren?

Anmerkung: Ich selber habe (beim Lesen) die Aufmerksamkeitsspanne einer dementen älteren Dame, wenn ich ihr zum dritten Mal erkläre, doch bitte den Arm nicht weg zu ziehen bei der Blutabnahme. Deshalb wurde hier bewusst auf u.a. Studienkritik verzichtet, um den Artikel in einer lesbaren Länge zu halten.

#1 In CT- und MRT-gestützten Studien

konnte man zeigen, welche anatomischen Strukturen unter dem Druckpunkt liegen – Tipp: Es sind oftmals nicht die Ventrikel!
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Bild A: MRT-Bild auf Höhe der Intermamillarlinie.
RA: Rechter Vorhof, LA: Linker Vorhof, LV: Linker Ventrikel, Aod: Aorta descendens
RVOT/…: Rechtsventrikulärer Ausflusstrakt mit Pulmonalklappe und Truncus pulmonalis
LVOT/…: Linksventrikulärer Ausflusstrakt (LVOT) mit Aortenklappe und Aortenwurzel
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Bild B: MRT-Bild zur Darstellung des anatomisch optimalen Kompressionspunktes (OCP) bei Herzdruckmassage. Bestimmt wurde dieser mit Hilfe der eingezeichneten schwarzen Linie. Sie geht senkrecht durch den größtmöglichen Bereich beider Ventrikel.
Hier sind wir jetzt etwas unterhalb der Intermamillarlinie.
Nun zu den Studienergebnissen:

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Darstellung der verschiedenen Handpositionen

  • Was verbirgt sich hinter Punkt A (derzeitige Standard-Handposition)?
    • Der linke Ventrikel war nur selten anzutreffen (in 2-21% der Fälle) (Nestaas 2016, Pickard 2006, Shin 2007)
    • Denn er ist nicht unbedingt die dominante Struktur und nicht direkt hinter dem Sternum (Papadimitriou 2013)
    • Allerdings sind linkes Atrium, LVOT, Aorta und rechter Ventrikel mit Abstand die häufigsten dominanten Strukturen (Nestaas 2016, Pickard 2006, Shin 2007, Cha 2013)
    • Auch bei Kindern finden sich in diesem Bereich häufiger LVOT und Aortenwurzel als der linke Ventrikel, der weiter kaudal liegt. Bei einem Drittel aller Probanden grüßt die Leber schon auf Höhe des unteren Sternumdrittels (You 2009, Park 2011)
    • Im Vergleich zu Gesunden findet man bei Patienten mit Vorerkrankungen des Herzens bzw. der Aorta hinter Punkt A etwa doppelt so häufig dem linken Ventrikel kranial gelegene Strukturen (Nestaas 2016). Dieser Trend ließ sich auch bei Patienten mit Herzinsuffizienz beobachten (Hwang 2017)
    • Bei Patienten mit Adipositas ist der optimale Druckpunkt weiter kranial als bei Normalgewichtigen (Lee 2018)
  • Außerdem:
    • Der Durchmesser des Herzens ist etwa 2.5cm kranial der Spitze des Xiphoid am Größen (Punkt B) (Shin 2007)
    • Die Fläche an Ventrikel, die theoretisch durch Herzdruckmassage komprimiert werden kann, wird ausgehend von Punkt A hin zu Punkt B immer größer. Dahingegen nimmt die Fläche an großen Gefäßen, die abgedrückt werden könnten, ab (Cha 2013, Kwon 2017)

Fazit:
Die Autoren so gut wie aller oben genannten Studien kommen zu dem Schluss, dass der zur Zeit gelehrte Druckpunkt falsch ist. Stattdessen mache ein möglichst kaudal gelegener Druckpunkt, allerdings immer noch oberhalb des Xiphoid, am meisten Sinn (im Bild Punkt B).
Hwang et al. und Nestaas et al. gehen sogar noch einen großen Schritt weiter und lokalisieren den optimalen Punkt zur Herzdruckmassage nicht nur kaudaler, sondern auch 3-5 cm nach links versetzt (im obigen Bild Punkt C), bei der Gruppe mit kardialer Vorerkrankung zeigte sich wieder eine Tendenz nach noch weiter kaudal und links.
Es ist jedoch nicht ganz klar, inwieweit die Handposition auf dem Sternum direkt auf die darunterliegenden Strukturen wirkt, Pickard legt nahe, dass das Sternum bei Thoraxkompressionen wie ein Hebel wirkt: Kranial mit dem Sternoklavikulargelenk als Hebelgelenk fixiert, und nach kaudal flexibel. Führt man diesen Gedanken weiter, dann bräuchte man nach dem Hebelgesetz für die gleiche Kompressionstiefe weniger Kraft aufzuwenden, je weiter kaudal man die Hände aufsetzt, also wäre das ein positiver Faktor gegen Ermüdung bei der Herzdruckmassage.
Leider gibt es bislang noch keine guten Daten zur Flexibilität und Bewegung des Sternums und angrenzender knöcherner Strukturen unter Reanimation. Im pädiatrischen Bereich ist das Sternum wiederum weicher, allerdings hat man auch weniger Spielraum, da schon eine relativ geringe Entfernung vom optimalen Druckpunkt die Aorta bzw. Leber komprimiert.
Weiter ist eine Sternumfraktur als Komplikation der Herzdruckmassage häufig, dadurch lassen sich dann die Strukturen unter dem Druckpunkt punktueller komprimieren (Buschmann 2009, Hoke 2004).
Zurück zu den Modellen
Die vorausgegangenen Überlegungen machen weiterhin nur Sinn, wenn man davon ausgeht, dass die Herzdruckmassage durch direkte Kompression des Herzens funktioniert (also cardiac pump theory) – hiermit kommen wir an eine altbekannte Kreuzung der verschiedenen Modelle.
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Versetzt man sich in die Lage eines ‚Thoracicers‘, für den die Druckschwankungen im gesamten Thorax an erster Stelle stehen, dann sieht man allerdings auch ein paar Vorteile einer kaudaleren Handposition. Es wird zum Beispiel nach dem Hebelprinzip mehr Kraft und somit Druck auf den Brustkorb ausgeübt, außerdem wird das Diaphragma möglicherweise nicht mehr so stark nach kaudal verschoben, was somit wiederum zu mehr intrathorakalem Druck führt.
Für jede der Theorien gibt es übrigens Argumente und Studien – bei verschiedenen Patienten unter Reanimation stellt man immer wieder fest, dass verschiedenen Modelle am Werk sind. Neue Daten legen nahe, dass wohl alle Modelle ihren Einfluss haben. Am Anfang der Reanimation eher das cardiac-pump-Modell, dann immer mehr thoracic pump, wahrscheinlich durch eine sukzessive Verhärtung des Ventrikelmyokards unter Reanimation (Liu 2016). Gleichzeitig ist das cardiac-pump-Modell vorherrschend, je mehr Druck bei der Herzdruckmassage aufgebracht und je weiter unten auf das Sternum gedrückt wird, indem mehr Ventrikel aktiv komprimiert wird (Hackl 1990, Porter 1992; Papadimitriou 2013).

#2 Untersuchungen am Tiermodell unter Reanimation (Schwein)

Die Lage des Herzens im Brustkorb scheint sich unter Reanimationsbedingungen zu verändern (u.a. durch die bei Herz-Kreislaufstillstand normale Dilatation des rechten Ventrikels, auch ohne LAE). Außerdem werden die Ventrikel teilweise asymmetrisch komprimiert (Jung 2017, Tomte 2010).
Die Studien von Anderson 2018 und Anderson 2017 zeigen, dass Kompressionen über dem linken Ventrikel bei Schweinen signifikant die Anzahl an ROSC und die Surrogatparameter verbessern – sowohl bei nichttraumatischem als auch bei traumatisch bedingtem Herz-Kreislaufstillstand (Hypovolämie). So wurde bei einer AMC (area of maximum compression) über dem linken Ventrikel deutlich häufiger ein gutes etCO2, höherer Blutdruck und besserer koronarer Perfusionsdruck erreicht, welcher wiederum stark mit ROSC assoziiert war.
Und es konnte auch gezeigt werden, dass sich das Schlagvolumen zusätzlich zu Surrogatparametern, wie etCO2 und Blutdruck als Marker einer effektiven Reanimation, verbessert, je mehr Ventrikel komprimiert wird (Klouche 2002, Halperin 2010).

#3 Transösophageale Echokardiographie (TEE) unter laufender Reanimation beim Menschen

Um herauszufinden, inwiefern die anatomisch unter dem Druckpunkt liegenden Strukturen auch bei der Reanimation komprimiert werden, und dazu noch etwaige Lageveränderungen des Herzen unter laufenden Thoraxkompressionen zu berücksichtigen, bietet sich Ultraschall als bildgebendes Verfahren an.
Bei keinem der Patienten (n=34) einer Studie, die mithilfe der standardmäßig gelehrten Handposition reanimiert werden, lag die AMC (area of maximum compression) über dem linken Ventrikel, sondern immer zwischen dem linksventrikulären Ausflusstrakt (LVOT) und der Aorta ascendens – also eher suboptimal. Die Handposition auf dem Sternum hatte außerdem signifikanten Einfluss auf das Schlagvolumen (Hwang 2009). Da bei keinem Patienten der linke Ventrikel direkt komprimiert wurde, lässt sich hier keine Aussage treffen – aber eine Tendenz erkennen: Linksventrikulärer Auswurf war größer bei LVOT Kompression als bei Kompression der Aortenklappe bzw. der Aorta ascendens. Außerdem wurden LVOT und Aorta (teilweise vollständig) abgedrückt. Auch hier empfehlen die Autoren eine Handposition auf Punkt B, anstatt der zur Zeit üblichen.
DasFOAM-Leser wissen’s früher: Zur Zeit ist eine weitere Observationsstudie gerade noch im Review, in der unter anderem gezeigt werden konnte, dass die AMC in mehr als der Hälfte der Fälle über dem linksventrikulären Ausflusstrakt bzw. der Aorta ascendens lag.
Wie ein Schluckecho (TEE) unter Reanimation eigentlich aussieht, zeigt folgendes Video – ein großes Dankeschön geht an dieser Stelle in die USA an Felipe Teran, der alle TEE-Videos für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt hat.
Gezeigt ist das TEE-Äquivalent einer transthorakalen „parasternal long-axis“ Einstellung (mid-esophageal long axis). Die AMC ist hier sehr gut lokalisiert.

Die Lösung

Um den optimalen Kompressionspunkt herauszufinden, wurden in einer Arbeit verschiedene Lokalisationen während der Reanimation getestet, aber ohne eindeutigen Erfolg. Dennoch bemerken die Autoren, dass individuell die Handposition nach dem etCO2-Wert erfolgreich verbessert werden kann (Qvigstad 2013). Eine andere interessante Arbeit hat gezeigt, dass bei Wechsel der Handposition an’s kaudale Ende des Sternum der systolische Blutdruck und das etCO2 signifikant steigen (Cha 2013). Auch auf einer Kinderintensivstation resultierte die Herzdruckmassage über Punkt B im Vergleich zu Punkt A in höheren Blutdruckwerten (systolisch & MAP) (Orlowski 1986).
Es gibt noch keine wirklich belastbaren Daten zu einer universell anwendbaren, verbesserten Handposition. Was schafft da Abhilfe?
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TEE natürlich! Echokardiographie an sich hat im Notfallsetting und während der Reanimation viele Vorteile – einige davon sind die Identifizierung reversibler Ursachen, das Erkennen schockbarer Rhythmen (z.B. sehr feines Kammerflimmern) und von ROSC. Die transösophageale Echokardiographie (TEE) hingegen vereint Vorteile der transthorakalen Darstellung noch dazu mit einer besseren Sicht auf’s Herz und stört dabei deutlich weniger den Reanimationsablauf (z.B. Blaivas 2008). Noch dazu kann man natürlich Thoraxkompressionen und AMC besser beurteilen und dementsprechend optimieren. Ein Manko: Unter Reanimation kann es nur bei intubierten Patienten angewendet werden – aber wenn man sich die deutlichen Pluspunkte ansieht, mit denen TEE sich vom ’normalen‘ Echo abhebt (Fair 2018, Parker 2018), rückt dies in den Hintergrund. Deshalb an dieser Stelle ein weiterführender Link mit großartigen Empfehlungen und praktischen Flowcharts zur Durchführung von ‚Resuscitative TEE‘.
Vielleicht heißt es ja schon bald öfters: „Reanimation? Erstmal ’nen Tee.“
Natürlich habe ich wieder Beispiele mitgebracht. Man kann schön erkennen, wie bei der standardmäßigen Handposition der Kompressionspunkt anfangs über dem ventrikulären Ausflusstrakt liegt. Daraufhin wird, unter TEE-Kontrolle, der Druckpunkt nach weiter inferior und links verändert. Das Ergebnis: Eine AMC über dem linken Ventrikel und daraufhin deutlich steigende Blutdruck- und etCO2-Werte, was für eine optimierte CPR spricht, kurz danach kann ein schockbarer Rhythmus und schließlich ROSC etabliert werden.


Und hier als Bonus zwei Videos unter Reanimation, wo man schön ein ECMO-Guidewire in der Aorta descendens erkennen kann und danach eins in der Vena cava am rechten Vorhof.

Schlussteil

Ich drücke mich jetzt bewusst vorsichtig aus, leider stolpert man über diesen Gedanken immer wieder und er lässt einem keine Ruhe:
Kann es sein, dass die Prognose einer Reanimation zur Zeit so schlecht ist, auch weil bei vielen Patienten schlichtweg am falschen Ort komprimiert wird?
Oder etwas provokativer formuliert:
Die Reanimation als Lotterie. Alle Menschen, ob groß, klein, dick, dünn, jung, alt, mit oder ohne Vorerkrankungen, bekommen den gleichen, ungenau definierten, Druckpunkt verpasst – und nur ein kleiner Teil hat Glück: Bei ihnen liegt das Herz mit den Ventrikeln unter der ‚Mitte des Brustkorbs‘ und die Reanimation ist effektiv. Es ist also durchaus möglich, dass wir momentan dem Großteil unserer reanimationspflichtigen Patienten nicht gerecht werden.
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Es ist Zeit, sich vom für alle gleichen Universalkonzept weiterzuentwickeln – dazu bedarf es allerdings noch weiterer Forschung, eine auf den individuellen Patienten personalisierte Herangehensweise ist hier die Zukunft. Viele OHCA-Patienten (Herz-Kreislaufstillstand außerhalb einer Klinik) haben eine kardiale Vorgeschichte. Bei dieser Gruppe weiß man, auch anhand genannter Studien, dass das Herz anders im Thorax liegt als bei gesunden Patienten, deshalb ist der potenzielle Nutzen einer verbesserten Handposition hier mit am Größten. Wenn man bei professioneller CPR und ungenügender Effektivität der Reanimation daran denkt die Handposition zu verändern, sollte man im Hinterkopf behalten, dass man nicht zu weit nach unten auf das Xiphoid rutschen darf, denn das Risiko einer Dislokation ist hoch. 

Eine wichtige Sonderstellung nimmt natürlich wie immer der traumatisch bedingte Kreislaufstillstand ein, bei dem die konventionelle Herzdruckmassage alleine nicht zielführend ist, da so die Ursachen nicht behoben werden.
Dieser Beitrag soll nicht (unbedingt) zu nicht-leitliniengerechter Reanimation anstiften, aber wohl zur Auseinandersetzung mit dem Thema inklusive kritischem Blick über den Tellerrand hinaus – denn der schadet nie.

Der Artikel darf im Sinne von #FOAMed ausdrücklich gerne studiert und zitiert, geteilt und verteilt, ausgedruckt und ausgelegt, geknickt und verschickt werden.
Wie immer gilt: Der Einzelfall entscheidet. Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit und die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr. Die Verantwortung liegt bei den Behandelnden. Der Text stellt die Position des Autors dar und nicht unbedingt die etablierte Meinung und/oder Meinung von dasFOAM.

Interessenkonflikt: Besteht nicht, insbesondere vertreibe ich keine TEE-Geräte und erhalte auch kein Geld von Herstellern (schön wär’s).
Wer an Vertiefung interessiert ist: TEE – Workshop


Beitragsbild: Autor.
Interessierter Obama: von giphy (Link im Bild).
MRT-Bilder: Nestaas et al. Scandinavian Journal of Trauma, Resuscitation and Emergency Medicine (2016) 24:54. Radiological assessment of chest compression point and achievable compression depth in cardiac patients.
Brustkorb mit Punkten: Ursprünglich aus Gray’s Anatomy of the Human Body 1918, gefunden auf Wikimedia, vom Autor bearbeitet.
Schilderwald: Pixabay, vom Autor bearbeitet.
TEE – Videos: Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Felipe Teran-Merino, MD, University of Pennsylvania. Dank an dieser Stelle auch an Carlos Glatz, der den Kontakt hergestellt hat.
Bild mit Ärztin und Tee: Von publicdomainpictures und pxhere, vom Autor bearbeitet.
Drake: Meme-Vorlage, vom Autor bearbeitet.
Obama-Mic-Drop: von giphy (Link im Bild).

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9 Kommentare

  1. Spannender Beitrag, vielen Dank!
    Im Alltag glaube ich aber, dass viele Reanimationen nicht zuletzt auch an miserablen Basics scheitern. Ewig lange Hands-off-Zeiten, oberflächliche CPR in unpassender Geschwindigkeit. Aber auch das riesige Chaos bei ALS und ROSC erlebt man nicht zu selten. Und ich spreche hier wohlgemerkt von Profis, also Notfall- und Intensivstationen.
    Auch wenn es im Einzelfall bessere Ergebnisse liefern kann: Ich glaube insgesamt profitieren die Patienten davon, wenn die Reanimation möglichst einfach bleibt. Keep it simple and save.

    1. Hallo Martin, danke! Da stimme ich dir grundsätzlich zu und teile deine Erfahrungen. Die Basics machen oft den Unterschied – sei es eine suffiziente Maskenbeatmung, eine Decke beim Polytrauma, oder ein optimierter Reanimationsablauf. Leider nur eben nicht so cool wie Intubieren, Clamshell-Thorakotomien oder ECMO. Damit wir uns richtig verstehen, zwei Botschaften des Artikels an dieser Stelle:
      1. Die Handposition lässt sich wahrscheinlich verbessern (kein ‚Advanced Skill‘) – dazu braucht es noch weitere Daten
      2. Wenn Ressourcen und Expertise vorhanden sind, profitieren Patienten und das Team von TEE, und der Reanimationsablauf wird dabei nur wenig bis gar nicht gestört

  2. Ich war Schiedsrichter auf nem Wettbewerb und musste mir das kotzen verkneifen – sowohl bei ALS als auch bei BLS. Und das unter besten Bedingungen.
    Aber nem stolzen (Freizeit-) Retter kann man keine Basics mehr beibringen. Es sei denn sie sind neu oder blinken blau.

  3. Sehr interessanter Übersichtsartikel.
    Mir stellt sich allerdings die Frage, wo eine Thoraxkompression auf Mamillarlinienhöhe gelehrt wird. Die Aussage untere Sternumhälfte, oder aber Mitte des Brustkorbs lässt aus meiner Sicht auch keinen übermäßigen Spielraum zu. Was allerdings klar dargestellt werden muss, ist der Unterschied von Sternum und Brustkorb…. Viel weiter kaudal kann dann auch schon fast nicht mehr gedrückt werden. Der Begriff Intermamillarlinie sollte im Rahmen eines Reanimationstrainings auch einfach nicht mehr fallen.
    Vielleicht hat das ERC deshalb auch in den Guidelines 2015 absichtlich die Brustwarzen des zu reanimierenden Patienten immer auf verschiedener Höhe dargestellt. S. LL 2015 S. 87, Fig 2.4 Bild 1 zu Bild 5 ;D

  4. Mittlerweile ist dieses Thema anscheinend auch im deutschsprachigen Raum angekommen. Glückwunsch für die wirklich gute Übersicht der aktuellen Literatur. Ob das Einführen einer TEE-Sonde während der Reanimation die Lösung des Problems darstellt, mag ich aus eigener Erfahrung eher nicht bestätigen. Vielmehr empfehle ich immer primär einen arteriellen Zugang zu etablieren. Diastolischer und systolischer Blutdruck und natürlich die Form der arteriellen Druckkurve sind dabei die entschiedenen Faktoren .
    Kein adäquater diastolischer Druck (ca.35-40mmHg) = keine Coronardurchblutung –> Vasopressortherapie anpassen
    Systolischer Blutdruck ggf. Kontrolle mittels Feedback-System
    2. Obstruktion (fulminante Lungenembolie/hypertrophe Cardiomyopathie)/Relaxationsstörung (Perikardtamponade) mittel TTE auszuschließen
    3. Kompressionsort falsch (hier wäre TEE eine Möglichkeit oder einfach alternativen Druckort wählen)
    Das Thema eines möglicherweise suboptimalen Kompressionspunktes tangiert auch die Diskussion Mensch vs. Maschine. Es wäre neben der in den präklinischen Studien beobachteten deutlich verzögerten Frühdefibrillation (LINC-Trial +90sec/ASPIRE-Trial +130sec) eine Erklärung, warum mechanische Reanimationsdevices im Vergleich zur manuellen Reanimation nicht besseres Outcome produziert, obwohl diese eine fast 100% Leitlinienkonforme Herzdruckmassage garantieren.

  5. Toller Post. Weg von one-size-fits-it-all-guidelines, mehr patientenzentrierte Versorgung und das Hirn einschalten. Herz-Echo kann man auch periarrest transthorakal machen und den Druckpunkt optimieren. Und dann gleich die Femoralarterie schallen, um die Druckaufnahme zu installieren…

  6. Drücken, Pusten, Schießen… so einfach … ist es doch nicht !?!
    Toller Beitrag mit sehr humoristischer Note 🙂 Zunächst Vielen Dank 🙂
    Interessant ist zunächst der Kommentar von Frau Voigt mit der Anmerkung zur arteriellen Punktion -> Sehr interessante Publikationen sind diesbezüglich verfügbar und (meiner Meinung nach) eine weitere Überlegung im Thema ACLS dies zu implementieren. Natürlich erst anzuwenden nach den ersten Minuten der gesicherten Standardversorgung (Drücken, Pusten (Atemwegssicherung), Schießen) -> Aber definitiv eine Überlegung wert.
    Die Optimierung des Druckpunktes – dank der sonografischen Darstellung – wurde überzeugend dargestellt ! (Ja andere Studien liest wirklich kaum jemand – ebenso meine Wenigkeit) Nun aber die Frage der Verfügbarkeit – Jeder Retter würde sagen: „Ich wäre dankbar eine fünfte Hand zu haben…“ Die Kliniker würden zunächst sagen, dass dies bestimmt ganz „Toll“ wäre, … – ABER Hand aufs Herz, Wieviele Ärzte in Notaufnahme und außerhalb der kardiologischen Intensivstation können ein TEE vernünftig auswerten oder gar durchführen ? 🙂
    Die Tendez des Beitrags scheint richtungsweisend für eine Art CPR-Karte zu sein. WO drücke Ich am besten? Ist dies mit angenommenen (man kennt nicht immer seinen Nächsten) Erkrankungen zu identifizieren? Gibt es patientenorientierte Zusammenhänge (außer wie benannt bei Adipositas) den Druckpunkt zu verlagern? Kann man da einen Algorithmus daraus formen (#Rettungsdient)? … (Tolles Gedankenspiel) – Es wäre sehr schön diesbezüglich eine neue (ILCOR) Richtlinie zu bekommen.
    TEE und feingliedrige VT – Ebenfalls ein wichtiger Einwand (Überlebensrate sinkt pro Minute um 10% in der nicht Geschossen wird…) – > Dazu leider nur wieder der gleiche unqualifizierte Kommentar: Hand aufs Herz – WER kann es im TEE erkennen => ALSO Notfall-Sono sollte gefördert werden 😉 (Ja die Parole ist auch nicht ganz neu….)
    Somit drehen sich meine Gedanken immer wieder um eine Art Karte zur Reanimation (Das A-, B-, C- Muster hat mir sehr gut gefallen!) – Wie aber individuell richtig am Patienten anwenden? (Zumindest die unteren, magisichen 2% erreichen – gemäß dem Motto „I’m a physician – Not a magician“)
    Vielen Dank für das Aktivieren der grauen Zellen 🙂

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