Diabetische Ketoazidose – die letzte Bastion des NaCl 0,9%?

Die Antwort ist sehr einfach, aber dann wäre der Artikel wieder sofort zu Ende. Und irgendwie habe ich ja schon beim HES-Artikel die Spannung raus genommen, und das ist dem einen oder anderen nicht gut bekommen. Ich habe dazu gelernt (z.B. dass Evidenz den persönlichen confirmation-bias einfach ums Verrecken nicht verhindert. Aber ist ja bei der Todesstrafe ähnlich, auch da wissen wir, dass sie keine Morde verhindert, nur mehr Tote produziert. Also schüttet ruhig weiter HES in die Patienten…. ).
Wir sind ja begeiserte Mythbuster hier bei dasFOAM, aber haben offensichtlich schon dem einen oder der anderen auf die Zehen getreten, so wie hier oder auf Facebook Althergebrachtes verteidigt wird. Gleiches gilt für das gute, alte NaCl. Auch hier kommt immer der erhobene Zeigefinger: Die deutschen Leitlinien empfehlen das ja immer noch in der Ketoazidose.

Stimmt.

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Quelle: imgur.com

Aber warum?
Ganz einfach. Und jetzt müssen wir in die Evidenz der Leitlinien abtauchen, aber ich verspreche euch, es wird viel weniger komplex als bei unserem Haus- und Hof-Nerd @juwo und seinen Überlegungen zum korrekten Druckpunkt bei der CPR.
Die Empfehlungen unserer Leitlinie sieht folgendermaßen aus,  und wie ihr schon merkt, es wird kein Evidenzgrad angegeben, sondern „nur“ Empfehlungsgrad A („Soll“ = Starke Empfehlung):
Bildschirmfoto 2018-12-01 um 23.11.12
Woher kommt die Evidenz der deutschen Leitlinie zur Empfehlung als Volumenersatz NaCl zu nehmen (SIE HABEN SOGAR EIN SCHEMA, EIN SCHEMA!!!)
Aus der Britischen Leitlinie. Quasi 1:1 übernommen:

Und deren Begründung für ihr Vorgehen ist doppelt absurd. Sorry. (Not.)

Zwei große, aktuelle Studien haben in der diabetischen Ketoazidose keinen Vorteil für eine der beiden Lösungen gefunden hat. („Neither has shown the superiority of one fluid over the other in terms of clinical outcomes.)

Ihre  Begründung trotzdem NaCl zu verwenden ist folgende:

  • Jahrzehntelange Erfahrung mit NaCL 0,9%
  • NaCl gibt es fertig vorbereitet in den klinischen Bereichen
  • Es gibt Fertigpräparate NaCl 0,9%, denen 20 bzw 40 mmol/l Kalium schon zugesetzt wurden.
  • Sichere Verwendung im Zusammenhang mit Kalium

Ernsthaft?
Bildschirmfoto 2018-12-01 um 23.12.33
Sieht so aus.
Es gibt tatsächlich ein paar handfeste Vorteile für ein balanciertes Kristalloid, die sich tatsächlich evidenzbasiert nachweisen lassen. Balancierte Kristalloide machen nämlich keine Hyperchloridämie und keine Azidose.
Also, ich fasse zusammen. NaCl und balancierte Kristalloide sind vermutlich gleichwertig, auch wenn ein paar patientenorientierte Vorteile für die balancierte Lösung sprechen. Gleichzeitig gibt es keine belastbaren Gründe („Jahre an klinischer Erfahrung“.), die einen Einsatz von NaCl auch nur ansatzweise rechtfertigen.
Man hätte es schneller haben können, aber hier ist die Antwort auf die Titelfrage:
Nein.
NaCl ist raus.
Quellen:
https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/057-013l_S3-Therapie-Typ-1-Diabetes_2018-08.pdf
http://www.diabetologists-abcd.org.uk/JBDS/JBDS_IP_DKA_Adults_Revised.pdf
Sei SMART! Neun Gründe NaCl 0,9% von der Volumentherapie auszuschließen
Bilder, sofern nich anders angegeben, direkt aus den Leitlinien kopiert.

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6 Kommentare

  1. Hallo Felix, vielen Dank für diesen pointierten Beitrag. Wir haben in unserem Haus (Uni) aus unseren OP Bereichen quasi durch die kalte Küche die Infusionslösungen G 40 und NACL komplett verbannt. Um NAC L aber komplett in die Wüste zu schicken, müsste man eine Alternative zu den 500 ml Freeflexbeuteln finden, die wir für die kontinuierliche Spülung der invasiven Druckmesssysteme verwenden. Ich hatte gehofft, dafür Stero ISO im Beutel verwenden zu können, doch Bbraun gibt die Lösung nicht für die intraarterielle Infusion frei. Hast du dazu vielleicht eine Idee? Es grüßt Christian

    1. Wir haben in unserer Klinik Beutel mit Vollelektrolytlösung. Wobei in dieser Indikation NaCl mengenmäßig wenig aus macht.

    1. Auch nicht. TADAAAh.
      Symptome: konzentriertes Natrium als Infusion
      keine Symptome: Vollelktrolyt, langsames Ausgleichen

  2. Ich hab noch eine andere ‚Bastion“. Laut der Leitlinie der ESPGHAN (Pediatric Gastroenterology) zu Management of acute Gastroenteritis (http://www.espghan.org/fileadmin/user_upload/guidelines_pdf/Guidelines_2404/European_Society_for_Pediatric_Gastroenterology_.26.pdf) wird gegen Dehydratation auch 0.9% Saline empfohlen, einmal auch balanced crystalloid, aber sonst immer 0.9%. Ergibt das Sinn? Sind Kinder so anders?

    Danke!

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