Swimming Induced Pulmonary Edema (SIPE)

In deutschen Fachbüchern eher selten zu finden, gibt es ein Krankheitsbild, welches doch immer wieder zu beobachten ist. Menschen, die nach dem Schwimmen über Luftnot klagen. Was ist das? Und warum sollten wir das kennen?

Warum klagen sie über Luftnot? Nun, es kann dafür natürlich viele Gründe geben, etwa ein Belastungsasthma, eine kardiale Dekompensation, einen Ertrinkungsunfall oder eine Ursache, die zufällig beim Schwimmen auftrat, ohne selbst etwas mit dem Schwimmen zu tun zu haben. Unsere Herausforderung als Rettungsfachpersonal, Notarzt, oder ZNA-Personal ist es also, herauszufinden warum unser Patient Luftnot hat. Dabei ist es wichtig, auch an SIPE als eine mögliche Ursache zu denken.

Was ist SIPE?

Swimming Induced Pulmonary Edema, also durch Schwimmen induziertes (ausgelöstes) Lungenödem, wird in internationaler Literatur nach verschiedenen Kriterien beschrieben. Typisch für diese Diagnose ist die Anamnese eines sonst gesunden Menschen, der nach dem Schwimmen in kaltem Wasser ein Lungenödem entwickelt, und zwar vor allem in den anterioren Bereichen der Lunge. Das ist logisch, weil die meisten Menschen beim Schwimmen sich mit dem Gesicht nach Vorne, also dem Sternum nach unten fortbewegen. Das Ödem bildet sich also vor allem in den anterioren Lungenbereichen. Sollte der Patient bereits eine Weile  auf dem Rücken gelegen haben, wenn ihr ihn untersucht, kann das Ödem natürlich in der ganzen Lunge zu finden sein. SIPE kann gering ausgeprägt sein oder aber zum fulminanten Lungenödem führen. Interessanterweise gibt es internationale Publikationen zu SIPE schon seit mindestens 1995.

Wie entsteht SIPE?

Abschliessend ist das nicht geklärt. Ähnlich dem sporadisch beschriebenen „Taucher-Ödem“, scheint SIPE durch ein zentralvenöses Pooling bei kaltem Wasser in Kombination mit starker körperlicher Anstrengung ausgelöst zu werden. Neoprenanzüge scheinen keinen Einfluss auf die Inzidenz von SIPE zu haben. SIPE wird vor allem bei sonst gesunden Schwimmern beschrieben.

Wie erkennen wir SIPE?

Sicherlich muss man als erstes überhaupt daran denken. Die Anamnese und körperliche Untersuchung sind wie so oft federführend. Ein Sauerstoffsättigungswert von unter 96%, Husten und Dyspnoe sind die führenden Symptome. In der Auskultation kann ein ausgeprägtes Ödem natürlich auch gehört werden. Spannend ist, dass vor allem der Lungenultraschall hilfreich sein kann: vermehrte B-Linien, vor allem anterior, haben einen hohen prädiktiven Wert. Vor allem beim größtenteils noch interstitiellen Lungenödem kann Sono uns hier helfen.

Welche diagnostische Kriterien gibt es?

Obwohl das Krankheitsbild seit mehr als 20 Jahren bekannt ist, gibt es keinen Konsens zu den Kriterien, die für die Diagnose eines SIPE zu erfüllt sein müssen. Wichtig für uns ist es, dieses Krankheitsbild zu kennen, um eine plausible Erklärung zu haben, falls ein sonst gesunder Patient sich uns mit Dyspnoe nach körperlichen Anstrengung im (kalten) Wasser vorstellt.
In CHEST ist dieses Jahr ein Artikel veröffentlicht worden, der eine umfassende Querschnittstudie beschreibt. Die Autoren empfehlen ein klinisch einfaches diagnostisches Konzept zum Feststellen von SIPE. Anamnese, Pulsoxymeter, Stethoskop und Ultraschall sind alles, was wir brauchen!

Gerne stellen wir diese Kriterien vor:

Diagnostic criteria SIPE

In Schriftform:
Wenn der Patient plötzlich Husten und / oder Luftnot entwickelt während oder direkt nach dem Schwimmen, denkt an SIPE als mögliche Diagnose.

  • Wenn die Sättigung über 95% liegt, und die Lunge bei der Auskultation unauffällig ist, dann ist SIPE unwahrscheinlich.
  • Sollte die Sättigung unter 96% liegen und der Patient Sputum und / oder Hämoptysen (S/H) haben, sollten wir an SIPE denken. Lungenultraschall wird empfohlen um die Diagnose zu stellen.
  • Sollte die Sättigung über 95% liegen und der Patient trotzdem Rasselgeräusche bei der Auskultation haben, ist SIPE wahrscheinlich. Lungensono kann bei der Diagnose helfen.
  • Patienten, welche eine Sättigung unter 96%  und Rasselgeräusche bei der Auskultation haben, haben höchstwahrscheinlich SIPE.

Wie behandeln wir das?

SIPE kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein, natürlich passen wir also unsere Therapie an. Es gibt keine konkrete Empfehlung zur Therapie dieser Form von Lungenödem. Milde Fälle werden mit Überwachung und Sauerstoffinsufflation gut versorgt sein. Zur Sauerstofftherapie hat Luca kürzlich wichtige Überlegungen veröffentlicht. Bei stärker ausgeprägten Symptomen kann die nichtinvasive Ventilation (NIV) sinnvoll sein. Der Patient mit manifestem Lungenödem wird ggf. intubiert und mit entsprechend hohem PEEP beatmet werden müssen.

Too long; don’t read (tl;dr)

Die Zusammenfassung:

  • Sonst gesunde Menschen können durch körperliche Anstrengung in kaltem Wasser trotz Neoprenanzügen ein Lungenödem entwickeln = Swimming Induced Pulmonary Edema (SIPE).
  • Husten, Dyspnoe, Hypoxämie (SpO2 <96%), Rasselgeräusche, und B-Linien im Lungensono sind typische Symptome. Sputum und Hämoptysen können ebenfalls auftreten.
  • Die B-Linien findet man typischerweise vor allem in den anterioren Lungenbereichen.
  • Therapie richtet sich nach schwere des Ödems: Sauerstoff, NIV, Intubation je nach Ausprägung.
  • Symptome bilden sich in der Regel innerhalb von 24 – 48h zurück, es gibt jedoch Fälle die mit dem Tod endeten.
Mehr zum Lesen:
https://journal.chestnet.org/article/S0012-3692(20)30771-6/pdf
https://www.diversalertnetwork.org/health/heart/immersion-pulmonary-edema

Wie immer gilt: Der Einzelfall entscheidet. Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit und die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr. Die Verantwortung liegt bei den Behandelnden. Der Text stellt die Position des Autors dar und nicht unbedingt die etablierte Meinung und/oder Meinung von dasFOAM.

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