Kühlen ist uncool.

Aber Temperaturmanagement ist cool (für alle, die nur die Überschriften lesen). Donnerstagabend wurde auf Critical Care Reviews der neue TTM -Trial (#TTM2) vorgestellt, den Nielsen und Kolleg:Innen an knapp 1900 Patienten durchgeführt haben um herauszufinden, was das optimale Temperaturregime für Patient:innen nach ROSC ist. Und ich spoiler es jetzt mal schnell:

in unserem Alltagssetting ist das Targeted Temperature Management mit therapeutischer Hypothermie, d.h. Temperaturen von 32-34 Grad erst mal tot. Nicht tot ist das Targeted Temperature Management, wenn es um Normothermie geht, denn das wissen wir ja schon länger: Fieber ist sehr schlecht PostROSC. Dementsprechend wurde bei den Patienten eine Temperatur über 37.7 Grad konsequent verhindert. Wie immer lohnt es sich die Originalarbeit zu lesen, es gibt nämlich einige interessante, nicht ganz so einfache Details.

Fast noch besser ist die Vorstellung auf critical care reviews, die ein unfassbar gutes Panel zusammen gestellt haben, in dem die Autoren die Studie vorstellen und kritisch diskutieren. Flankiert von Bernard (Hauptautor der Studie von 2002, die nebem dem HACA Trial dazu geführt hat, dass TTM plötzlich fast so heiß war wie Vitamin C Cocktails) als Editor und Kontrapunkt.

Was wurde untersucht?

Um die 1900 Patienten, die nach Reanimation und ROSC noch bewusstlos blieben,  wurden randomisiert und einer von zwei Gruppen zugeordnet: Ein Teil wurde aktiv und möglichst zügig auf 33°C herunter gekühlt – das möglichst zügig wird später noch mal wichtig. Der zweite Teil der Probanden erfuhr ein kontrolliertes Temperaturmanagement, das umgehend eingriff, wenn die Temperatur 37,7°C überstieg. Primärer Endpunkt war der Tod!nach 6 Monaten ungeachtet der Ursache.

Sekundärer Endpunkt waren das funktionelle Ergebnis ebenfalls nach 6 Monaten, das wurde mit dem Standard Tool für diese Studien, der modified Rankin scale bestimmt.  Bereits ex ante wurden Subgruppenanalysen mit eingeplant und dann auch durchgeführt, die u.a.  Patienten mit Sepsis, Arrhythmien oder Schock bei Aufnahme gesondert untersuchten.

Warum musst das überhaupt untersucht werden?

2002 kamen sowohl der Bernard-Trial in Australien als auch der HACA-Trial aus Östereich auf den Tisch und veränderten die post ROSC Behandlung nachhaltig. In diesen Publikationen zeigte sich ein deutlicher Vorteil für die Hypothermie – Gruppe.  Patienten mit Kammerflimmern (HACA-Trial) und Kühlung waren im Langzeitergebnis neurologisch besser und hatten eine höhere Überlebensrate. Im Bernard-Trial zeigte sich das sogar für Patient:Innen mit anderer Genese ihres Kreislaufstillstandes.

In einem Review von 2010 fiel dann mehr oder weniger überraschend auf, dass diese Studien ein relativ schlechtes Evidenzlevel bei relativ kleinen Stichproben hatten, so dass Nielsen 2013 seinen TTM – Trial nachschob, der dann mit erheblich mehr Patienten keinen Vorteil für Kühlung auf 33° (im Vergleich zu 36°C) erbrachte. Hauptkritik war damals maßgeblich die lange Zeit bis zum Erreichen der Zieltemperatur.

Aufgrund der widersprüchlichen Ergebnisse (und der Kontrolle des TTMs von 36°) sollte jetzt eben im TTM2- Trial diese Frage für  33°C vs Normothermie (<37,8°C) beantwortet werden. Hypothese war dann eben auch: „Schnelles Kühlen auf 33°C verbessert Überleben und neurologisches Outcome im Vergleich zu Normothermie / frühem Behandeln von Fieber bei Erwachsenen Patienten mit prähospitaler Reanimation unklarer Genese“

Ergebnisse:

Machen wir es kurz uns schmerzlos: Kühlung auf 33°C  brachte keinerlei Vorteil, weder im Überleben noch im neurologischen Outcome nach 6 Monaten. In beiden Gruppen waren 48 vs 50% (Hypothermie-Gruppe) verstorben. Auch in den Subgruppen fanden sich keine Benefits für die Kühlung. Im Gegenteil, wie zu erwarten gab es in der Hypothermie-Gruppe signifikant mehr hämodynamisch relevante Arryhtmien. Damit ist – da waren sich nicht nur die Studienautoren, sondern auch das Panel um Bernard als „Hypothermie-Pionier“ und Nolan als Vertreter des ERC einig – Kühlung (anders als Targeted Temperature Management) erst einmal tot.  Oder eloquent wie es Twitter formuliert:

Also darauf einen kalten Drink.

Nichtsdestotrotz gibt es einige Kolleg:Innen, die nicht ganz zu unrecht kritisieren, dass hier erst nach 5h (ca. 2h bis zur Randomisierung und noch mal 3h für Kühlung)  die Zieltemperatur erreicht wird. Das war ja schon im TTM 1 Trial der Kritikpunkt: „Jetzt wissen wir, dass Kühlung nach 6h nichts bringt, aber was ist, wenn die Leute viel schneller gekühlt werden?“.

Bild von Paul Young (@dogicuma)

Speziell die Tierversuche, auf denen die Theorie der Hypothermie ja beruht, haben gezeigt, dass eine schnelle Kühlung möglicherweise tatsächlich funktionieren kann. Aber der Knackpunkt ist der Transfer in den Alltag. Die Untersuchung lief in spezialisierten Zentren auf der ganzen Welt, die eine hohe Kompetenz in der Kühlung der Patienten hatten. Und selbst diese positiv selektierte Gruppe war nicht in der Lage schneller zu kühlen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir mit aktuellen Mitteln diese potentiell (und sind wir ehrlich, das wissen wir nicht mal wirklich) schützende Maßnahme nicht umgesetzt bekommen.

Und was Paul schon anspricht: das würde eine Sch#&ssarbeit so eine Studie mit schnelleren Kühlungsmöglichkeiten hinzubekommen.

Ist targeted temperature management mit Normothermie dann der neue shit?

Ehrlicherweise gibt es keine wirklich guten Daten dafür, dass Normothermie wirklich so extrem wichtig ist, allerdings gibt es relativ deutliche Hinweise. Nichtsdestotrotz brauchen wir gerade in dem Bereich neue Studien, da TTM für die Patienten immer tiefe Sedierung und damit potentielles Risiko bedeutet.

Qualität:

Die Studie ist sicher eine der saubersten und besten Studien, die in dem Bereich aktuell zur Verfügung stehen – noch dazu mit über 1800 eingeschlossenen Patient:Innen. Sie stellt die richtigen, vordefinierten Fragen und schaut auf unser alltägliches Patientengut in Notaufnahme und ITS.  Damit sind die Patienten auch repräsentativ, da nur Patienten ausgeschlossen wurden, die entweder einen DNR-Status hatten, bereits über 3h nach ROSC waren oder mit Asystolie bei unbeobachtetem Kreislaufstillstand gefunden wurden.

Die Studie selbst ist randomisiert, aber naturgemäß open label. Das heißt nicht verblindet im Behandlungsarm, aber die Auswertung wurde komplett verblindet, so dass die Datenanalyst:Innen keine Ahnung von der durchgeführten Behandlung hatten und sogar die Outcome-Assessoren verblindet waren. Keine perfekte, aber eine pragmatische Lösung.  Es gab keinen selection bias und die Patienten wurden auch in den entsprechenden Gruppen analysiert. Diese unterschieden sich nicht in den prognostischen Faktoren.  Die Behandlung beider Gruppen war, soweit erkennbar, gleich und auf hohem Standard, die Nachverfolgung hatte nur geringe Quoten an lost to follow up (37 Patienten ist bei Gesamtpopulation von knapp 1900 Patienten unfassbar gut). Die für uns wichtigsten Patienten zentrierten Endpunkte (neurolog. Outcome und Überleben) waren eingeschlossen.

 

Zum Schluss: schaut euch die Studie noch mal im Original selbst an, da kann man auch grundsätzlich extrem viel lernen.

TL;DR: Kühlung ist tot, es lebe das targeted temperature management!

Wie immer gilt: Der Einzelfall entscheidet. Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit und die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr. Die Verantwortung liegt bei den Behandelnden. Der Text stellt die Position des Autors dar und nicht unbedingt die etablierte Meinung und/oder Meinung von dasFOAM.

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