Geschüttelt, nicht gerührt.

Ruhiger Tag auf der Wache, man quatscht ein bisschen und spätestens nach 30 Minuten entsteht die erste mehr oder weniger fachlich relevante Diskussion. Wer kennts nicht?

Heute nehme ich euch mal an unseren Frühstückstisch mit, denn passend dazu berichtet ein Kollege von einem Ereignis, das ihn noch beschäftigt. Ein Patient hatte initial massiv, dann gar nicht mehr und erst später einigermaßen regulierbar auf die Katecholamingabe reagiert. Woran lag es? Kann es sein das das Medikament einfach nicht gleichmäßig in der Spritze verteilt war? Wie schnell verteilen sich eigentlich verdünnte Medikamente in einer Spritze? Die Leitstellen-Götter waren uns milde gesinnt, und so starteten wir unsere eigene kleine Versuchsreihe am Wachen-Küchentisch.

Der (improvisierte) Versuchsaufbau

Als „Medikament“ wurden zuerst Isotone Lösung (NaCl), später auch Epinephrin (abgelaufen), Glucose und Vollelektrolytlösung eingefärbt. Als Trägerlösung dienten jeweils NaCl oder Sterofundin. Zum einfärben haben wir genommen, was die Wache uns zu bieten hatte. Färbung durch Textmarker, Früchtetee und Lebensmittelfarbe. Ihr seht schon, das ganze wird wissenschaftlich.

Wer jetzt übrigens argumentiert, die Mittel zum Färben würden gegebenenfalls die Löslichkeit beeinflussen, dem gebe ich recht – das kann ich nicht ausschließen. Aber so funktionieren Medikamente gegebenenfalls auch. Wer schon mal versucht hat Clonazepam (Rivotril), dieses hydrophobe Scheißzeug, zu lösen, der weiß, wovon ich spreche. Außerdem lagen die Spritzen am Ende mehrere Stunden auf dem Tisch der Wache, und als wir wieder kamen, war alles, der Physik huldigend, gleichmäßig diffundiert. Nichts hat sich am Boden der Spritze abgesetzt, ich bin also optimistisch, dass die Ergebnisse übertragbar sind.

Das Ergebnis hat uns alle überrascht und doch einigermaßen nachdenklich gemacht. In unserer Versuchsreihe hat sich keiner der oben genannten Wirkstoffe prompt mit dem Lösungsmittel vermischt, wenn er nach dem Trägerstoff aufgezogen wurde. Meistens war längeres schwenken nötig.

 

Einige Erkenntnisse

Wurde zuerst das Medikament aufgezogen und im Anschluss die Trägerlösung dazugegeben, dann hat das ganze deutlich besser funktioniert, aber nicht perfekt. Unterschiede zwischen schnellem und langsamen aufziehen, mit oder ohne Kanüle, konnten wir nicht feststellen. Der Unterschied lag allenfalls darin, das sich das Medikament hinten statt vorne in der Spritze angesammelt hat. Es war auch egal wie die Spritze gehalten wurde.

 

Die Verteilung in Perfusorspritzen ist ein wenig besser, allerdings auch nur wenn nicht zu geringe Mengen des Medikamentes aufgezogen werden.

 

Nach all den lustigen Experimenten haben wir uns als letztes an die Infusion gemacht. Klassiker „Spritz mal Medikament XY in die Infusion, aber schön langsam, damit sich unten ein See bildet.“

Lasst es mich so ausdrücken: vergiss es. Funktioniert nicht. Wirklich überhaupt nicht. Wenn man sich dann über die fehlende Wirkung aufregt liegt das übrigens daran, dass sich das zugespitzte Medikamente am oberen Ende sammelt. Also auch hier: aktives Mischen ist dem Patienten zuliebe angeraten.

 

Wie relevant ist das ganze jetzt in unserem Alltag? Aufgezogene Spritzen werden möglicherweise genug herumgereicht bis sie durchmischt sind und es gibt auch einfach Medikamente bei denen es nicht auffallen würde, keine Frage.

Worauf will ich dann jetzt überhaupt hinaus? Ich möchte Awareness schaffen. In meinen Augen gewinnt das ganze bei der Arbeit mit direkt nach dem aufziehen applizierten hochpotenten Medikamenten an Bedeutung. Wie im zu Beginn genannten Beispiel.

Über die Autorin: DieSina

War irgendwann mal Physiotherapeutin und ist jetzt Notfallsanitäterin irgendwo in Bayern. Macht irgendwas mit Rettung, Intensivtransport und QM. Lernt und lehrt gerne.

 

Wie immer gilt: Der Einzelfall entscheidet. Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit und die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr. Angegebene Dosierungen stellen keine Therapieempfehlung dar und dürfen nicht ungeprüft übernommen werden. Die Verantwortung liegt ausschließlich bei den Behandelnden. Der Text stellt die Position des Autors dar und nicht unbedingt die etablierte Meinung und/oder Meinung von dasFOAM.

 

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6 Kommentare

  1. Danke! Ich denke, dass dies ein Problem darstellt, das für viele überhaupt kein existierendes Problem ist. Diese Überlegung hatte ich zuletzt bei der beliebten 10 µg/ml Dosierung bei Noradrenalin 1 mg in 100 ml NaCl. So schnell wie das hergestellt und in die Spritze befördert wird, kann ich mir unmöglich vorstellen, dass da wirklich die gewünschte Dosierung am Ende entsteht.

  2. In den Videos werden die Medis allerdings auch äußerst langsam und mit gaaaanz viel Liebe aufgezogen. Wie sieht denn die Verteilung aus, wenn man das Ganze in realistischer Geschwindigkeit macht?
    P.S.: Ich neige dazu, immer eine Luftblase mit aufzuziehen, das Ganze damit ein, zwei mal zu schwenken, und dann die Luft wieder rauszudrücken. Das sollte hoffentlich bei den meisten Medis reichen, um sie halbwegs gleichmäßig zu verteilen.

  3. Jedes Mal beim Aufziehen geht mir das durch den Kopf, aber nie wäre ich auf die Idee gekommen es zu probieren – vielen Dank!
    Ihr habt nicht zufällig einmal etwas Luft in die Spritze gezogen zum Schwenken? Ich hoffe jeweils, dass es sich so besser mischt.

  4. Gegebenenfalls würde eine Luftblase in der Spritze beim Schwenken hier für genug Verwirbelung sorgen, sodass eine gleichmäßige Verteilung noch schneller zustande kommt. Für die Patientensicherheit sollte diese Blase aber wohl direkt nach dem Schwenken wieder entfernt werden.

  5. Nach einem eindrucksvollen
    Erlebnis als „einzuweisender“ und in diesem Fall nur beobachtender Notarzt schüttele ich alle gemischt aufgezogenen Medikamente mit etwas Luft in der Spritze. Ein mE sehr wichtiger Beitrag👍👍👍. Für mich ist das Verhalten in einer Infusion eine neue Erkenntnis!!! Dankeschön.

  6. Die Trägerlösung, sollte aber trotzdem immer zuerst aufgezogen werden, damit man am Ende nicht mit 10,4ml in einer 10er da steht 😀

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