Ich verrate jetzt ein Geheimnis - revisited


Vor geraumer Zeit haben wir unsere Seite mit diesem Artikel online geschaltet. Auch heute noch ist dieser Artikel – gerade angesichts der Grippewelle und der teils dramatischen Zuständen in den Krankenhäusern – hochaktuell. Zeit und Anlass dafür ihn leicht zu überarbeiten.
Immer noch ersetzt die Notaufnahme nicht den Hausarzt. Klingt komisch, ist aber wirklich so.
Wofür ist die Notaufnahme dann überhaupt zuständig?
Ganz einfach: genau zwei Sachen - das ist nämlich ihre Aufgabe:

  • Sie stellt sicher, dass du nicht stirbst.
  • Sie stellt sicher, dass du keine dauerhaften Schäden davon trägst oder starke Schmerzen leiden musst, wenn wir jetzt nicht aktiv werden.

Das war es.
Wenn du in die Notaufnahme kommst, um ein Wehwehchen kurieren zu lassen (und ja, 25 Jahre alt, schon seit unfassbaren drei Tagen Fieber von 39° C, wäre so ein Fall), dann musst du trotzdem zusätzlich auch zum Hausarzt.
Und: jeder junge, sonst gesunde Patient mit einer richtigen Grippe (z.B. Influenza A oder B) in der Notaufnahme kann leicht die Patienten, die sich dagegen kaum oder nur schlecht wehren können, anstecken: die ältere Dame mit der Lungenentzündung, der junge Transplantierte mit Immunsuppression oder der Patient mit COPD unter Kortison. Also nicht wundern, wenn ihr abgeschirmt oder nach kurzem Kontakt zügig nach Hause oder weiter zum kassenärztlichen Notdienst geschickt werdet.
Du bekommst in der Notaufnahme weder eine Krankschreibung noch ein Rezept (vorausgesetzt die Kollegen verbrennen nicht gerne Geld). Das macht dein Hausarzt und das ist auch gut so. Der soll dich nämlich immer sehen, wenn du krank bist, damit er deine Behandlung und Diagnostik koordinieren und durchführen kann.
Dein seit drei Monaten bestehender Husten wird weder richtig diagnostiziert noch geheilt. Du wirst so weit versorgt, sofern es überhaupt notwendig ist, dass du es bis zum Hausarzt schaffst.
Und das ist jetzt wichtig:
Der ist nämlich nicht nur dafür da, sondern auch noch richtig gut darin. Die Notaufnahme kann deiner chronischen Krankheit keine Diagnose verschaffen, und schon gar keine Therapie. Auch wenn du noch so glaubst, dass du lange genug gelitten hast, und es Zeit wird, dass die moderne Maximalmedizin alles auf dich schmeisst, was es an Diagnostik gibt, um heraus zu finden was du hast. Glaub mir, wir alle verstehen das gut, wir sind ja auch deswegen Pflegekräfte und Ärzte geworden, weil wir Krankheit und Leiden Scheisse finden.
Aber: das hat Zeit und das kann ein niedergelassener Spezialist (und das ist auch dein Hausarzt, der ist nämlich ein Experte in der ganzheitlichen Behandlung und Diagnostik) erheblich besser. Und wenn er nicht weiter kommt, kümmert er sich schon darum, dass du deine Diagnosen erhältst, notfalls im Krankenhaus. Aber die Notaufnahme ist keine Abkürzung dahin.
Wenn du Angst hast, dass du gleich stirbst, oder schwer geschädigt wirst, kannst du immer vorbei kommen. Wir nehmen dich ernst und stellen fest, ob dem so ist oder nicht. Angst ist absolut verständlich, gerade wenn mit einem Körper etwas passiert, was man nicht kennt oder was immer schlimmer wird. Und wir nehmen dir gerne die Angst, aber das bedeutet eben halt auch, dass man eventuell nur für ein aufmunterndes Gespräch von drei Minuten zwei Stunden wartet. Wenn es dir wichtig ist, bekommen wir das hin und machen das gerne. Leider können wir dann aber einfach nicht alles an Diagnostik machen, was du dir möglicherweise so wünschst.
Wenn du das verstanden hast, nämlich dass

  1. die Notaufnahme dir nicht den Hausarztbesuch ersetzt, sondern - im Gegenteil - noch Wartezeit auf deine Behandlung drauf setzt,

und

  1. wir nur das machen können, was notwendig und indiziert ist, und nicht das, was alles möglich sein könnte,

dann kannst du gerne vorbei kommen. Aber vor allem weißt du, was auf dich zukommt. Und vielleicht verstehst du uns besser, wenn wir nachts um drei auf die Frage nach der Wartezeit nicht mit der puren Begeisterung reagieren, weil uns möglicherweise gerade ein Patient mit Herzinfarkt unter den Fingern weg gestorben ist, der sich nicht getraut hat, den Notarzt zu rufen, wegen dem bisschen Brustschmerz.
Im Endeffekt – das lehrt uns die aktuelle Situation auch wieder - bleibt uns nur eins: Die Notaufnahmen sinnvoll auszustatten, ausreichend Personal vor zu halten und die Spezialisierung dieser neuen Fachrichtung voran zu treiben. Nur dann bleibt mehr Zeit für die respektvolle Versorgung von akut-kranken Patienten, ohne den schwerstkranken Herzinfarktpatienten zu gefährden.
 

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1 Kommentar

  1. omg, am liebsten würd ich den Artikel ausdrucken, so in Din A3 und ins Wartezimmer unsrer Notaufnahme hängen.. <3

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