CPR-assoziiertes Bewusstsein

Dieser Artikel ist im Original am 27.04.2018 auf emupdates unter dem Titel „CPR Induced Consciousness: 30 Second Video“ erschienen.
Ein 82-jähriger gesunder und aktiver Herr fühlte sich seit einigen Tagen unwohl mit zunehmender Dyspnoe. Gemeinsam mit seinem Sohn kam er in die Rettungsstelle, setzte sich auf einen Stuhl vor der Triage und war sofort nicht mehr ansprechbar. Nach dem sofortigen Transport in den Schockraum wurde eine Apnoe mit PEA festgestellt.

Die Reanimationsmaßnahmen beinhalteten Herzdruckmassage, Beatmung mit einer Larynxmaske, Adrenalin, Calcium und Bikarbonat ohne einen ROSC zu erzielen. Im Ultraschall war zunächst keinerlei kardiale Aktivität zu sehen, später allerdings eine minimale Aktivität - jedoch ohne spürbaren Puls.
Im EKG waren ST-Hebungen in V1 und V2 zu erkennen. Dem Patienten wurden 50 mg Alteplase verabreicht ohne Verbesserung im Echo oder ROSC. Eine zweite Dosis von 50 mg 15 Minuten später erzielte ebenfalls keine erkennbare Wirkung.
Während der Reanimationsmaßnahmen, auch während Abschnitten ohne jegliche kardiale Aktivität, wurde der Patient während der Herzdruckmassage (HDM) wach. Er öffnete die Augen, folgte den Bewegungen der Teammitglieder, machte gezielte Bewegungen in Richtung der Larynxmaske und der Person, die die HDM durchführte und ungezielte Abwehrbewegungen der unteren Extremitäten. Mit gutem Erfolg wurden 100 mg Ketamin gegeben, mit einmaliger Wiederholung der Dosis.
Nach 75 Minuten wurde gemeinsam mit dem Sohn des Patienten entschieden, dass weitere Reanimationsmaßnahmen sehr wahrscheinlich keinen Erfolg haben würden. Die Herzdruckmassage wurde eingestellt und der Patient wurde für tot erklärt.
CPR-assoziiertes Bewusstsein (engl: CPR-induced consciousness = CPRIC) wurde in einem Fallbericht von Lewinter 1989 beschrieben. Die Autoren waren vor allem fokussiert auf konkurrierende Modelle der HDM und venoarterielle CO2 Gradienten, berichteten allerdings auch, dass der „produzierte Blutfluss ausreichend war um Bewusstsein aufrechtzuerhalten“. CPRIC wurde expliziter von Quinn und Kollegen an der University of Ottawa 1994 diskutiert. Sie untersuchten ein aktives Kompression-Dekompression Gerät doch ihre Zusammenfassung endet mit einer Frage:
„Ist es menschenunwürdig HDM ohne Sedation oder Analgesie durchzuführen? Wir benutzten diese Medikamente wegen der Notwendigkeit die Patienten ruhig zu halten und die Intubation zu ermöglichen. Gibt es andere Patienten, die die Reanimation bewusst wahrnehmen aber ihre Ängste und Beschwerden nicht mitteilen können?“
Einer der Gutachter kommentierte:
„Die Details der Reanimationsmaßnahmen zeigen verschiedene Interventionen auf, die hinterfragt werden müssen. Zum Ersten könnte die hohe Dosis Midazolam den Tonus der vasomotorischen Gefäße und den kardialen Perfusionsdruck reduziert haben.“
Worauf die Autoren antworteten:
„Unsere Patienten zu paralysieren ohne sie zu sedieren wäre unmenschlich gewesen. Midazolam wurde zur Sedierung benutzt, da es weniger myokardial depressive Wirkung hat als Thiopental. Rückblickend wäre Ketamin die bessere Wahl gewesen.“
Vielleicht werden wir nie wissen, wie viele Patienten mir Herzstillstand während der Reanimation bei Bewusstsein sind, weil nicht viele überleben um davon zu berichten. Jedoch berichteten 2% der Überlebenden von Herzstillstand in der sehr subtil benannten AWARE-Studie, dass sie während des Herzstillstandes visuelle Eindrücke wahrnahmen.
In 2008 beschrieben Bihari & Rajajee CPRIC auf der Intensivstation und erklären:
„Sorgen um die negativen Auswirkungen von Sedativa und Analgetika währen der Reanimation haben vielleicht ihre Berechtigung, jedoch ist es wichtig daran zu denken, dass Patienten in dieser Situation auch mit der bestmöglichen Versorgung eine sehr geringe Überlebenschance haben. Das Bestreben Schmerz und Leid in diesem wahrscheinlichen Endstadium zu lindern sollte schwerer wiegen, als die Sorge um mögliche Nebenwirkungen.“
Die Inzidenz von CPRIC scheint zuzunehmen und mindestens ein Forscher hat darin seine klinische Nische gefunden und bereits drei Paper veröffentlicht. Das Beste dieser Paper ist eine Register Studie von 112 Fällen von prähospitaler CPRIC mit einer Inzidenz von 0,7%, einer schwach-positiven Assoziation von CPRIC und günstigem Outcome für den Patienten und einer schwach-negativen Assoziation zwischen dem Nutzen von Sedativa zur Behandlung von CPRIC und günstigen Outcome.
In einer Befragung wird ein prähospitales Szenario beschrieben in dem „der Patient während der HDM einen GCS von 15 hatte, was für die beteiligte Besatzung sehr verstörend war. Er sagte: “sagt meiner Familie, dass ich sie liebe und kein Problem mit dem Sterben habe. Bitte lasst mich sterben.”
Diejenigen, die für die Versorgung von Patienten mit Herzstillstand verantwortlich sind sollten sich der Möglichkeit von CPRIC bewusst sein und einen Plan für solche Situationen entwickeln. Mitglieder des Reanimationsteams können durch einen Patienten, der während der HDM bei Bewusstsein ist, stark verunsichert werden. Es ist wichtig die Kollegen zu beruhigen und zu vermitteln, dass dies ein gut beschriebenes Phänomen ist, welches das Potential von hochqualitativen Reanimationsmaßnahmen aufzeigt die Durchblutung der vitalen Organe zu sichern. In dem Video im Originalbeitrag sieht man, dass der Patient auch während der Pulskontrolle bei Bewusstsein war (also während einer Pause der HDM), was gut zeigt wie der Perfusionsdruck nach dem Wegfall des kardialen Outputs langsam abfällt.
Es scheint unmenschlich einen Patienten bei Bewusstsein zu lassen, während ein künstlicher Atemweg liegt und Herzdruckmassage durchgeführt wird, erst Recht während der Anlage einer Thoraxdrainage, der Perikardpunktion oder anderer invasiver Interventionen. Pound et al beschreiben einen Patienten der während der HDM so aktiv war, dass er die Reanimationsmaßnahmen stark beeinträchtigte. Die meisten Autoren, die über CPRIC schreiben empfehlen eine Sedierung mit Midazolam oder Ketamin während des Herzstillstandes. Eine Gruppe schlägt ein CPRIC Sedations Protokoll vor.
Nachdem in unserem Fall mit der Familie die Entscheidung getroffen wurde, die Reanimation einzustellen, wurde die Sedierung mit Ketamin unterbrochen, sodass der Patient zumindest bei teilweisem Bewusstsein Abschied von seiner Familie nehmen konnte. Diese sehr emotionalen Momente sind bisher noch nicht beschrieben worden aber verdienen es weiter berücksichtigt zu werden. Mit zunehmend besserer Qualität von Reanimation wird uns auch CPR-assoziiertes Bewusstsein immer häufiger begegnen.
Hier ein Link zu dem Video des Patienten aus dem beschrieben Fall. Das Video wurde mit Zustimmung der Familie des Patienten und aller beteiligten Teammitglieder veröffentlicht.
Vielen Dank an Reuben von emupdates für diesen spannenden Artikel & für die Erlaubnis ihn zu übersetzen!
Beitragsbild By OpenStax College , via Wikimedia Commons

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