Reanimation: Update der ERC-Leitlinien

Der ERC (European Resuscitation Council) ist dem Vorbild des ILCOR (International Liason Comitee on Resuscitation) gefolgt und hat außerhalb des bisherigen 5-Jahres-Zyklus ein Update zu den Reanimationsleitlinien veröffentlicht. Der Fokus des ILCOR-Update aus 2017: Das Verhältnis von Herzdruckmassagen und Beatmungen, teilweise mit eher unerwarteten Empfehlungen (Joseph hat das ILCOR-Update 2017 hier für uns zusammengefasst). Die wichtigsten Punkte des ERC-Update in der Übersicht:

#1: Der ERC verlässt (teilweise) den 5-Jahres Rhythmus

Wie das ILCOR erkennt auch der ERC an, dass bei der großen Menge an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen durch immer mehr Reanimationsforschung und schnelleren wissenschaftlichen Fortschritt der bisherige 5-Jahres-Zeitraum möglicherweise zu lang ist, um auf neue Daten zu reagieren. Gleichzeitig bedeutet jedes Update der Reanimationsleitlinien Schulungsaufwand, Kosten und logistische Probleme. Schlimmstenfalls könnte es Reanimationssituationen durch Uneinigkeit im Team über das korrekte Vorgehen behindern. Der ERC hat darum beschlossen, die vom ILCOR jetzt regelhaft außerhalb des 5-Jahres-Zeitraums veröffentlichten CoSTR (Consensus on Science with Treatment Recommendations, also Publikationen des wissenschatlichen Konsens verbunden mit Handlungsempfehlungen) immer zeitnah zu evaluieren. Wenn die Empfehlungen einen hohen Einfluss zeigen (insbesondere auf Überlebensraten und neurologische Outcomes) will der ERC seine Leitlinien und Kursunterlagen auch außerhalb des 5-Jahres Zeitraums anpassen. Bei kleineren Updates erfolgt die Anpassung dann mit dem nächsten regulären Update nach 5 Jahren.

#2: Telefonisch angeleitete Laien-CPR

Hier bleibt alles beim Alten: Es wird empfohlen bei Notrufen wegen der Reanimation Erwachsener eine Reanimation mit reiner Herzdruckmassage telefonisch anzuleiten. Bei der Reanimation von Kindern soll hingegen auch zur Beatmung angeleitet werden.

#3: BLS durch Laien-Ersthelfer

Auch hier gibt es keine Änderung: Der ERC betont, dass Laienhelfer wenn sie dazu in der Lage sind grundsätzlich auch weiterhin Beatmungen durchführen sollen. Eine reine Herzdruckmassage ist nur dann empfohlen, wenn die Helfer ansonsten gar keine Reanimationsmaßnahmen einleiten würden.

#4: Außerklinische Reanimation durch professionelle Helfer: Kommt jetzt die passive Oxygenierung?

Hier wird es spannend. Das ILCOR Update aus 2017 stellte hier neben dem bekannten Vorgehen (30:2 bis der Atemweg durch endotracheale Intubation oder Platzierung eines supraglottischen Atemwegs gesichert ist, dann kontinuierliche CPR und Beatmung) alternativ zwei weitere Optionen zur Auswahl, was für Aufsehen und Diskussionen gesorgt hat:

  • Durchführung kontinuierlicher Herzdruckmassage und Beatmung ohne Unterbrechung der HDM auch in der Zeit, in der noch keine Atemwegssicherung erfolgt ist. Es folgte die Angabe einer starken Empfehlung bei guter Evidenz genau wie für das bekannte 30:2 Vorgehen.

Mir persönlich stellte sich dabei immer die Frage der praktischen Machbarkeit, bei spontanen Neugier-Testläufen am Phantom waren wir nicht besonders erfolgreich.

  • In Rettungsdienst-Bereichen, in denen das Vorgehen bereits etabliert ist kann lt. ILCOR eine „Minimale-Unterbrechungs-Strategie“ gleichwertig zur konventionellen CPR genutzt werden (schwache Empfehlung bei sehr schlechter Evidenz). Diese Strategie besteht aus einer kontinuierlichen Herzdruckmassage ohne Beatmungen, stattdessen mit passiver / apnoeischer Oxygenierung. (Noch nie gehört? Urban hat das hier und hier für Euch erklärt). Allerdings galt diese Empfehlung nur für die sehr begrenzte Patientengruppe mit beobachtetem außerklinischem Kreislaufstillstand und defibrillierbarem Rhythmus.

Beide Alternativen lehnt der ERC in seinem jetzt veröffentlichten Update ab! Für die Zeit bis die Atemwegssicherung erfolgt ist bleibt es bei der Empfehlung von 30:2 ohne Alternativen. Die Minimale-Unterbrechungs-Strategie mit passiver Oxygenierung wird explizit nicht empfohlen. Zur Begründung führt der ERC an, dass sich im systematischen Review des ILCOR zum Thema keine signifikanten Unterschiede zwischen dem 30:2 Vorgehen und dem Vorgehen mit kontinuierlicher HDM und Beatmung trotz ungesichertem Atemweg gezeigt hätten. Die Empfehlung zur Strategie mit passiver Oxygenierung beruht auf sehr schwacher Evidenz und betrifft gleichzeitig nur eine sehr kleine Patientengruppe (beobachteter OHCA mit schockbarem Rhythmus). Dem gegenüber steht der hohe Aufwand (logistisch und finanziell) ein neues Vorgehen zu schulen. Der ERC kommt nach Güterabwägung daher zu dem Ergebnis, dass an der bisherigen Empfehlung nichts geändert werden soll, eine Strategie mit kontinuierlicher Herzdruckmassage schon vor Atemwegssicherung sei dem 30:2 Vorgehen nicht überlegen. Auch dass das Verhältnis 30:2 bei der Reanimation Erwachsener anderen Verhältnissen (15:2 etc.) überlegen sei wird vom ERC analog zu den Erkenntnissen der ILCOR-Empfehlung betont.

#5: Update zur pädiatrischen Reanimation

Das Wichtigste vorab: Auch hier ändert sich nichts. Es wird betont, dass die bisherigen Empfehlungen zu EPALS und NLS dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entsprechen, bei der pädiatrischen BLS wird noch einmal auf die Bedeutung der Beatmung hingewiesen: Eine reine Herzdruckmassage ist bei Kindern nur dann akzeptabel, wenn der durchführende Helfer nicht in der Lage ist, eine Beatmung durchzuführen, weil das Outcome ohne jegliche Reanimationsbemühungen eben noch schlechter ist. In der Ausbildung zur pädiatrischen Ersten Hilfe soll darum weiter die Durchführung von Beatmungen trainiert werden.

Zusammenfassung

An den aktuellen ERC-Guidelines ändert sich voerst gar nichts, die nächste Überarbeitung steht wie gewohnt für 2020 an. Trotzdem ist das Update 2017 wichtig und interessant, weil der ERC sich einerseits klar für eine zeitnahe Übernahme neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Leitlinienempfehlungen ausspricht und zusichert, auch außerhalb des 5-Jahres-Zeitraums wachsam die wissenschaftliche Entwicklung zu beobachten. Andererseits entkräftet der ERC deutlich die (zugegeben auch von uns) bereits als „Game Changer“ gefeierten ILCOR Vorschläge zu alternativen Vorgehensweisen zu 30:2, was Diskussionen und Unsicherheiten in diesem Bereich (vorerst) ausräumen dürfte und betont erneut, dass die Empfehlung zur kontinuierlichen Herzdruckmassage auch dann gilt, wenn die Atemwegssicherung mittels SGA durchgeführt wurde. Aktuell ist übrigens ein CoSTR zur Frage des vorteilhaftesten Antiarrhythmikums bei refraktärem Kammerflimmern in Arbeit – wir sind gespannt!

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