The Big Sick 2020 – Tag 3 in Zermatt

Grüzi sagt das #DFTT zum dritten Mal aus Zermatt, nach unserer Teilnahme an The Big Sick 2018 und 2019 waren wir dieses Jahr mit einem fünfköpfigen Team vor Ort und möchten Euch eine kurze und prägnante Zusammenfassung bieten. Dabei waren @ahueb, @thejuwo@CRM_saves_lives @GERpocus und @luca_uenlue. Die Zusammenfassung über den ersten Tag findet ihr hier. Die Zusammenfassung zum zweiten Tag hier.

„The Big Sick“ ist eine kleine familiäre Konferenz mit dem Fokus auf die ersten Stunden der präklinischen und klinischen Versorgung von Schwerstkranken und Schwerstverletzten Patient*innen. Über die drei Tage der Konferenz werden verschiedenste Thematiken behandelt, die die Versorgung von “big sick” Patient*innen betrifft, egal ob Atemwegsmanagment oder Team Work.

Wer sich einen genaueren Überblick verschaffen will, findet bei unseren skandinavischen Kolleg*innen von scanFOAM die Videos von den Vorträgen.

Der dritte und letzte Tag widmete sich den Extremen und endete wie bereits in den Jahren zuvor mit Workshops auf dem Gelände von Air Zermatt .

Tag 3 – der Vormittag

Prof. Tim Harris startete mit einem nicht ganz so extremen Thema der Echokardiografie in der Notaufnahme.

Tim startete mit ein paar Tipps zur schnellen Beurteilung der linksventrikulären Funktion (left ventricular ejection fraction (LVEF)). Die „End Point Septal Separation (EPSS)“ wird gemessen, unter 5 mm sollte eine normale EF vorliegen,  mehr als 7 mm bei einer EF unter 50%, ab über 18 mm kann man von einer EF unter 30% ausgehen. Ein passendes Paper findet ihr dazu hier.

Wie ihr wahrscheinlich wisst, lieben wir die Sonografie in der akutmedizinischen Diagnostik. Tim weist hier auch noch mal drauf hin, dass Wandbewegungsstörungen meist vor EKG Veränderungen sonographisch erkannt werden können.

Andrew Merelman, Paramedic und Medizinstudent, berichtete über KOBIKetamine-only-breathing-intubation. Eine traditionelle RSI bietet uns den Vorteil der optimalen Sicht auf die Stimmritze und eines geringeren Aspirationsrisikos. Auf der anderen Seite verabreichen wir akutkranken Menschen Medikamente, die sie apnoeisch und hämodynamisch noch instabiler machen können, als sie es so schon sind. Alternativ gäbe es noch die Wachintubation, diese benötigt jedoch zusätzliches Equipment, welches insbesondere präklinisch regelhaft nicht verfügbar ist. KOBI ist die Zwischenlösung, also zwischen einer RSI und einer Wachintubation.

 

Indikationen für KOBI sind: schwierige anatomische und/oder physiologische Verhältnisse (Siehe TBS19 Tag 1: HOp Killers) für eine Intubation. Es ist ausdrücklich kein regulärer Ersatz für eine RSI! Andrew hat in einem Flussdiagramm schön dargestellt, wann KOBI anstatt einer RSI/DSI zum Einsatz kommen könnte, dieses findet ihr in seiner original KOBI open access Publikation hier.

KOBI besteht aus drei Schritten:

  1. Eine dissoziative Dosis Ketamin wird verabreicht
  2. Laryngoskopie, ggf. lokale Zerstäubung von Lidocain, während die Stimmritze schrittweise visualisiert wird
  3. Tube delivery

Die Vorteile liegen klar auf der Hand:

+ Patient*innen bleiben selbstständig am Atmen.

+ Wir nutzen Standartintubationstechniken: egal ob Videolaryngoskopie, Macintosh oder Millerspartel. Wir können das nutzten, mit dem wir vertraut sind. (Anm. Notfallintubationen sollten immer mithilfe von Videolaryngoskopie (Vgl. S1 Prähospitales Atemwegsmanagment) und ggf. Bougie erfolgen) Analog empfiehlt Andrew für KOBI ein Videolaryngoskop sowie Bougie zu nutzten. Falls ein hyperanguliertes Videolaryngoskop verfügbar sein sollte, kann dies hilfrein sein. Bei KOBI haben die Patient*innen noch Tonus im oberen Atemweg und somit bewegt sich auch noch die Glottis.

+ Stepback ist möglich: Felix hat vor geraumer Zeit von einem schwer dyspnoeischen, hoch instabilem Patienten mit voroperiertem Mundbodenkarzinom erzählt, prädiktiv eher ein schwieriger Atemweg. So entschied sich das Team für eine dissoziative Dosis Ketamin und wenige milligram Midazolam. Nachdem ein Stück Wurst im Hypopharynx visualisiert und entfernt werden konnte, bestand auch keine weitere Indikation mehr, denn Patienten zu intubieren. Das Video und mehr Infos dazu gibt es hier.

Jedoch gibt es ein paar mögliche Komplikationen, aber nichts, was wir nicht regeln könnten:

  • Apnoe: Für schwierige Intubationsbedingungen immer ein Paralytikum sowie ein Front-of-Neck-Access (FONA) Kit bereit halten.
  • Laryngospasmus: Präventiv das Ketamin langsam geben, sprich über 1-2 Minuten, dies sollte zusätzlich verhindern, das der Patient apnoeisch wird. Falls die Patient*in trotzdem einen Laryngospasmus entwickelt: Vorsichtig positive Druckbeatmung + Larson’s Manöver.
  • Trismus: Ketamin nachspritzen, FONA Bereitschaft.

Aus Andrews Erfahrung sollte Ketamin-induzierte Hypersalivation primär kein Problem sein, und wenn, würde es eher später eintreten. Notfalls kann mit Anticholinergika eingegriffen werden.

Andrew hat für seinen Talk eine Seite mit weiteren Quellen und Links erstellt, diese könnt ihr hier finden.

Weiter ging es mit einem wirklich beeindruckendem Vortrag von Ben Mitchell, aufgrund der detaillierten Einsicht in das militärische Equipment und die Verfahren des Teams wurden wir gebeten, keine Fotoaufnahmen zu machen, deshalb wurde dieser Vortrag auch nicht gestreamt.

Tag 3 – der Nachmittag

Eigentlich ist es schon eine Tradition: Am Freitagnachmittag gehts aufs Helipad von Air Zermatt. Dafür brauchten wir uns eigentlich auch nicht umziehen, denn bei The Big Sick sind Skihosen und warme Pullover der inoffizielle Dresscode. Vielen Dank an das Team von Air Zermatt für die Gastfreundschaft! Neben einem Einblick in das Equipment, welches Air Zermatt nutzt, wurde auch eine Longline rescue simuliert. Hier sind ein paar Eindrücke davon:

 

Das war’s mit The Big Sick 2020, little did we know what was to come.  Eine fantastische Konferenz, die wirklich seines gleichen sucht! Nächstes Jahr wird The Big Sick ausfallen, wir hoffen sehr, das es 2022 weitergeht!

Wie immer gilt: Der Einzelfall entscheidet. Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit und die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr. Die Verantwortung liegt bei den Behandelnden. Der Text stellt die Position des Autors dar und nicht unbedingt die etablierte Meinung und/oder Meinung von dasFOAM.

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