A matter of T.R.U.S.T. – POCUS zur Beurteilung der Tubuslage?!

Die Idee, die korrekte Lage eines Endotrachealtubus durch Ultraschall (POCUS) zu verifizieren ist nicht neu – das Vorgehen zur sonografischen Lokalisation des Cuffs wurde sogar schon 1987 von Raphael et al publiziert. Dennoch ist diese einfache und praktische Technik zur Einschätzung der korrekten Intubationstiefe in Deutschland bisher häufig unbekannt und ungenutzt – Zeit, das zu ändern!

Es steht außer Frage, dass der Ausschluss einer ösophagealen Fehllage primär mittels Kapnografie erfolgen sollte. Konsequenterweise ist damit auch die Vorhaltung einer Möglichkeit zur Kapnografie in allen Bereichen zu fordern, in denen regelhaft Atemwege invasiv gesichert werden. Ob der Tubus dann aber nur knapp unterhalb der Glottis, direkt auf der Carina oder gar im (meist rechten) Hauptbronchus sitzt, vermag uns die Kapnografie leider nicht zu verraten, so dass zur Beantwortung dieser Frage innerklinisch häufig Röntgenaufnahmen oder Untersuchungen mit einer Fiberoptik (flexible Bronchoskopie / Endoskopie) herangezogen werden müssen. Auch die Auskultation im Seitenvergleich vermag zwar einige einseitige Intubationen zu identifizieren, ist aber durch Umgebungsgeräusche und zusätzliche Pathologien (Pneu, Pleuraerguss, …) fehleranfällig und entlarvt auch nur die streng einseitige Intubation. Dabei ist es durchaus möglich sowohl eine ösophageale Fehllage sonografisch zu erkennen als auch – am einfachsten nach temporärem Blocken mit Aqua oder NaCl 0,9% – den Cuff im Ultraschall darzustellen und darüber auf die Tubustiefe zu schließen. Das Blocken des Cuffs mit Flüssigkeiten ist keineswegs neu oder revolutionär, sondern aus unterschiedlichsten Beweggründen langjährig erprobt und vielfach komplikationslos durchgeführt und publiziert worden (z.B. Blockung mit Lidocain zur Reduktion postoperativer Halsbeschwerden, Blockung mit Aqua oder NaCl 0,9% zur Vermeidung von Cuffdruck-Änderungen bei Anästhesien mit Lachgas oder in der Laserchirurgie, …). In dieser chinesischen Studie an 105 Patienten wurde der Cuff nicht nur suprasternal lokalisiert, sondern sogar die Distanz zwischen Glottis und oberem Ende des Cuffs sonografisch vermessen – für den alltäglichen Gebrauch ist das sicherlich überzogen, zeigt jedoch, wie akkurat sich die Strukturen sonografisch darstellen lassen.

Wie erkennt man eine ösophageale Fehllage im Ultraschall?

Bei der Darstellung von Trachea und Ösophagus im Querschnitt (mit dem Linear- oder Konvexschallkopf, je nach persönlicher Vorliebe) wirft die Trachea als luftgefülltes Organ einen Schallschatten. Im Bild erkennt man eine halbrunde, echoreiche Struktur (die vordere Trachealwand) und darunter die besagte Schallauslöschung. Der Ösophagus, der anatomisch variabel rechts oder links von der Trachea zur Darstellung kommen kann, ist insbesondere bei leichtem Druck nicht luftgefüllt, wirft also keinen Schallschatten – es sei denn er wird durch eine luftgefüllte Struktur (den Tubus!) offen gehalten. Dann entstehen zwei ähnlich aussehende Strukturen, neben der Trachea (halbrunde, echoreiche Struktur mit Schallschatten) kommt etwas schallkopfferner rechts oder links davon im Bild eine weitere halbrunde, echoreiche Struktur mit Schallschatten zur Darstellung, die dem fehlintubierten Ösophagus entspricht. In der POCUS-Welt ist dieses Bild als „Double tract sign“ bekannt – leider wird die Bezeichnung auch noch für andere Phänomene (z.B. Pylorusstenose) verwendet. Kann man sich so schwer vorstellen? Macht nix! Hier und hier gibt es gute Beispielbilder! Der Vorteil der sonografischen Darstellung ist die Möglichkeit der Visualisierung in Echtzeit: Während der Intubation kann durch eine zweite Person (z.B. Rettungsfachpersonal, Pflege oder im Rahmen der Supervision von noch Intubations-Unerfahrenen durch erfahrenes Personal) im Ultraschall unmittelbar gesehen werden, wenn der Tubus „falsch abbiegt“ und ein entsprechender Korrekturhinweis erfolgen. Nicht zuletzt ist ein Ausschluss einer ösophagealen Fehllage so binnen Sekunden auch ohne Beatmung und ggf. noch vor Erhalt valider etCO2 Messwerte möglich. Tatsächlich hat Felix die Technik 2020 schon einmal auf dasFOAM thematisiert, als es um POCUS zur Intubation bei COVID ging.

Was ist mit Kindern?

Was Raphael et al bereits 1987 für Erwachsene vorschlugen, ist mittlerweile auch für Kinder und sogar Säuglinge und Neugeborene untersucht worden, bei denen kleine Veränderungen der Lagerung (insbesondere Inklination/Reklination des Kopfes) auch relevante Veränderungen der Tubustiefe hervorrufen können.  Zusätzlich ist angesichts der geringeren Sauerstoffreserve und zur Vermeidung von (Baro-)traumata die frühzeitige Erkennung einer zu tiefen/einseitigen Intubation gerade im Kindesalter essentiell. Leider ist eine zu tiefe Intubation weder durch die Auskultation (verkompliziert z.B. durch Umgebungsgeräusche, große „Eindringtiefe“ von Erwachsenenstethoskopen oder noch teilweise vorhandene Belüftung) noch durch die sonografische Darstellung von Lungenpuls/Pleuragleiten (erschwert z.B. durch Hautemphysem, Pneumothorax, Reanimationssituation) sicher auszuschließen. Wünschenswert wäre demnach eine einfache, bettseitig verfügbare Untersuchung, um die korrekte Tubuslage unabhängig von Alter und Größe unserer Patient:Innen direkt nachweisen zu können. Tadaa:

Während bei Neugeborenen die direkte Darstellung der Spitze des Endotrachealtubus und die Messung der Distanz zur Carina sonografisch möglich sind (Dennington 2012), ist dies bei größeren Kindern und Erwachsenen leider nicht ohne Weiteres machbar.

Tessaro et al veröffentlichten 2015 das T.R.U.S.T. Protokoll (tracheal rapid ultrasound saline test), wofür sie die Beurteilung der korrekten Tubustiefe nach Blockung des Cuffs mit Kochsalzlösung mittels Sonografie prospektiv erstmalig zur Anwendung bei Kindern (in der Studie zwischen 9 Monaten und 18 Jahren) validierten. Die endobronchiale Fehllage konnte in dieser Publikation mit einer Sensitivität von 98,8% sonografisch erkannt werden. Hierbei lag der Tubus, wenn der Cuff in der suprasternalen Sonografie darstellbar war, durchschnittlich 2,7 cm oberhalb der Carina (1,5-4,5 cm) und damit in einer guten Position, wobei die sonografische Untersuchung bis zur sicheren Identifikation des Cuffs durchschnittlich nur vier Sekunden in Anspruch nahm. Dr. Mark Tessaro ist übrigens auch zu anderen spannenden Themen rund um pädiatrischen POCUS auf Twitter aktiv.

Uya et al untersuchten 2020 an 70 Kindern zwischen 2 Monaten und 18 Jahren (durchschnittlich 4 Jahre alt), wie tief der Endotrachealtubus bei Darstellbarkeit des flüssigkeitsgefüllten Cuffs in der suprasternalen Sonografie tatsächlich lag, in dem sie parallel eine Röntgenaufnahme des Thorax anfertigten. In dieser Studie korrelierte die Darstellung des Cuffs in 95% der Fälle mit einer geeigneten Tubustiefe (durchschnittlich 2,4 cm oberhalb der Carina).

2021 präsentierte Jeffrey A. Wharton auf dem „Pediatric Anaesthesiology“-Kongress zusätzliche Daten zur Sinnhaftigkeit und Sicherheit der Untersuchung bei 34 Säuglingen im Alter von durchschnittlich 4 Monaten, wobei sich die utraschallgestützte Lagekontrolle erwartungsgemäß der Lagekontrolle durch Auskultation deutlich überlegen zeigte und interessanterweise auch der in dieser Studie „ganz normal“ mit Luft gefüllte Cuff hinreichend gut dargestellt werden konnte.

Insgesamt stützt die Datenlage also die Verwendung der sonografischen Cuff-Lokalsation zur Verifikation einer geeigneten Tubustiefe deutlich – aber wie geht der Spaß nun konkret vonstatten?

How to: Kontrolle der Tubuslage mit POCUS

Schritt 1: Ausschluss einer ösophagealen Fehllage (sofern nicht bereits durch Kapnografie erfolgt)

Schallkopf (ideal: Linearschallkopf, je nach persönlicher Vorliebe aber auch Konvexschallkopf) suprasternal quer aufsetzen: Wenn neben der Trachea eine weitere halbrunde Struktur mit Schallschatten (oft etwas nach unten versetzt) darstellbar ist („Double tract sign“): Ösophageale Fehllage, Rückzug des Tubus, Oxygenierung sichern und endotracheale Intubation! Nur Trachea als halbrunde, echoreiche Struktur (knorpelige Vorderwand) mit Schallschatten (durch in der Trachea enthaltene Luft) darstellbar oder Tubuslage bereits mittels Kapnografie verifiziert? Weiter zu…

Schritt 2: Darstellung der korrekten Tubustiefe

  1. (Leeren) Cuff mit Aqua oder NaCl 0,9% füllen – bei Erwachsenen ca. 7 ml, bei Kindern passend zum gewählten Tubus bzw. alternativ druckkontrolliert um einen Cuffdruck von 20 (Kinder) bzw. 30 cmH2O (Erwachsene) nicht zu überschreiten.
  2. Visualisierung des flüssigkeitsgefüllten Cuffs, ggf. mit Luftblasen beim Auffüllen, in der Sonografie mit dem wie oben beschrieben transversal (quer) oder longitudinal (längs, dann auch räumlicher Bezug zum Ringknorpel darstellbar) aufgesetzten Schallkopf als Hinweis auf korrekte Tubustiefe. Bei fehlender Visualisierung des Cuffs im Bereich des Jugulums Suche in der longitudinalen Darstellung, wenn kein Cuff darstellbar: Zu tiefe Intubation, vorsichtiger Rückzug des Tubus.

Eine Anleitung zur Technik mit Bildern findet sich in dieser Publikation von Tessaro et al, auch der Videomittschnitt des „SonoBYTE“ Vortrags der FOAM-Größen Jacob Avila und Ben Smith bei dasSMACC 2017 in Berlin mit Erklärung und Videodemonstration von beiden Techniken (Ausschluss der ösophagealen Fehllage und Bestimmung der Tubustiefe) ist absolut sehenswert:

Natürlich gibt es auch auf den einschlägigen POCUS-Blogs tolle Erklärvideos zu den Techniken, z.B. hier bei  5 minute sono. 

Und geblockte Trachealkanülen?

Da geblockte Trachealkanülen mit der Spitze auf der gleichen Höhe zu liegen kommen sollten wie Endotrachealtuben ist die Technik für Trachealkanülen mit Cuff analog anwendbar.

Aber ich bin doch (noch!) kein POCUS-Experte? 

Nicht verzagen, die Technik ist schnell und leicht zu erlernen! In dieser Machbarkeitsstudie sollten acht Pädiater:Innen, die sich noch nie mit Atemwegsultraschall beschäftigt hatten, nach einem kurzen Training (20 min Theorie, 30 min Praxis) zeigen, wie gut sie mit ihren neu erworbenen Kenntnissen ösophageale Fehllagen erkennen und die korrekte Tubustiefe bei trachealer Intubation eines Kadavermodells mittels POCUS identifizieren konnten. Dabei konnte auch in dieser sehr unerfahrenen Population eine sehr gute Sensitivität für beide Fragestellungen erreicht werden, d.h. auch Neulinge konnten die Technik zielführend für sich nutzen und den flüssigkeitsgefüllten Cuff sicher sonografisch identifizieren.

TL;DR: Das Fazit

Die Darstellung des zur besseren Identifikation am besten mit Aqua oder NaCl 0,9% geblockten Cuffs auf Höhe des Jugulums erlaubt sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern den Rückschluss auf eine korrekte – d.h. ausreichend tiefe, aber nicht zu tiefe – Tubuslage. Die Untersuchung ist auch durch wenig geübte Untersucher ohne relevanten Zeitaufwand bettseitig möglich und wissenschaftlich als geeignetes und sicheres Verfahren belegt. Daneben ist bei Neugeborenen, die in der Regel mit ungecufften Tuben intubiert werden, die sonografische Darstellung der Tubusspitze und Messung des Abstands zur Carina möglich. Auch eine ösophageale Fehllage kann sonografisch leicht dargestellt werden, was in ausgewählten Situationen eine sinnvolle diagnostische Option sein kann.

Wie immer gilt: Der Einzelfall entscheidet. Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit und die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr. Die Verantwortung liegt bei den Behandelnden. Der Text stellt die Position der Autorin dar und nicht unbedingt die etablierte Meinung und/oder Meinung von dasFOAM.

Beitragsbild: Wikimedia commons

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