EKG: Bradykardie

Ihr bekommt einen Patienten nach Wohnungseröffnung in die Notaufnahme gebracht. Er war seit 2 Tagen nicht mehr gesehen worden, jetzt haben Nachbarn und Verwandte die Feuerwehr und den Rettungsdienst hin geschickt.
Na, kommt es euch bekannt vor?
Temperatur gibt der Rettungsdienst mit 35,6 an, sonst hämodynamisch stabil bis auf eine Bradykardie von 28/min und einen RR systolisch knapp unter 100 mmHg. Instabil? Fast stabil? Semistabil? Labil? Zufriedenstellend?
Zur sonstigen Vorgeschichte erfahrt ihr noch, dass der Patient einen schädlichen Alkoholgebrauch betreibt und kaum beim Hausarzt anzutreffen ist. Eher beim Späti um die Ecke.
Keine Brustschmerzen, keine Tabletten (vertragen sich ja nur schlecht mit dem Alkohol), keine Ödeme, keine Dyspnoe, nur etwas verlangsamt, aber dennoch kontaktfähig. Also in die Überwachung, und – der Patient ist ja bradykard – mal ein EKG geschrieben.
Das sieht so aus:
hypothermie 1hypothermie
Was wäre unser nächster Schritt?
 
 
 
 
 
Genau, das kennen wir doch schon? Aber würden die ernsthaft den gleichen Fall noch mal bringen?
Vom Pfleger unseres Vertrauens lassen wir folgerichtig noch einmal die Temperatur messen, und siehe da: 27°C Körperkerntemperatur. Der Patient schaut uns entspannt aus seinem Stretcher an, antwortet adäquat und befolgt problemlos Aufforderungen. Subjektiv geht es ihm „gut“. Instabil sieht anders aus.
Aber das ist ja genau der Punkt, das kennen wir von den Empfehlungen bei der Hypothermiebehandlung: solange der Patient einigermaßen stabil ist, klinisch wie paraklinisch z.B. in der BGA, gibt es keinen Grund in Unruhe zu verfallen.
Also, passive Wärmebehandlung wäre unser nächster Schritt. In unserem Fall ließ sich der Patient problemlos und relativ rasch aufwärmen. Und dann geht es an die Umfelddiagnostik. Eine so ausgeprägte Hypothermie würde man sicher zur Überwachung (zumal die ja selten isoliert auftritt) stationär aufnehmen. Beides ist in unserem Fall passiert und der Patient hat es dann lebend überstanden.
Auch in diesem EKG lassen sich die diesmal nicht ganz so hohen J-Wellen darstellen, auch in unserem Fall betont über der Vorderwand, prinzipiell kann es allerdings in allen Ableitungen auftreten. Ähnliche Veränderungen können bei normothermen Patienten  mit KHK oder Perikarditis auftreten, so dass dies in unserem Fall mit in die Differentialdiagnose einbezogen werden müsste. Aber zum Glück ist ja die Messung der Körperkerntemperatur ja eine minimal invasive, ressourcenschonende und rasche Diagnostik, um relativ definitiv zu klären, wie sich die Klinik des Patienten entwickelt hat.
 
 
Bitte beachten: https://dasfoam.org/nutzungshinweise/
 
 
 
 

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