Neue Erkenntnisse zum Larynxtubus – mit Interview

Ein kürzlich publizierte Studie an der Universitätsklinik für Notfallmedizin der Medizinischen Universität Wien hat den Einfluss der Atemwegs-Strategie bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand näher untersucht.

The impact of airway strategy on the patient outcome after out-of-hospital cardiac arrest: A propensity score matched analysis
Patrick Sulzgruber, , Philip Datler, Fritz Sterz, Michael Poppe, Elisabeth Lobmeyr, MarkusKeferböck, Sebastian Zeiner, Alexander Nürnberger, AndreasSchober, Pia Hubner, Peter Stratil, Christian Wallmueller, ChristophWeiser, Alexandra-Maria Warenits, Andreas Zajicek, Florian Ettl, IngridMagnet, Thomas Uray, ChristophTestori, Raphael van Tulder
European Heart Journal: Acute Cardiovascular Care
First published date: September-26-2017
10.1177/2048872617731894

In diesem Beitrag möchten wir euch diese Studie näher vorstellen und durften dem Letztautor der Publikation einige Fragen stellen.
Zum Inhalt des Papers

Es handelt sich um eine prospektive Registerstudie an Patienten mit präklinischem Herz-Kreislauf Stillstand. In Wien werden alle Patienten mit präklinischem Stillstand in das „Vienna Cardiac Arrest Registry“ aufgenommen, aus diesem Kollektiv wurden 2224 Patienten untersucht und mit einer statistischen Methode zum Ausschluss von Störfaktoren (Propensity score matching) in 4 Gruppen zu jeweils 210 Patienten auf Basis der gewählten präklinischen Atemwegsstrategie eingeteilt und verglichen:

  • Beutel/Maske Beatmung (kein invasives Atemwegsmanagement) (BM)
  • Intubation mit Larynxtubus (LT)
  • Primäre Intubation mit Laryxtubus, anschließend Wechsel auf endotracheale Intubation (LT+ET)
  • Primär endotracheale Intubation (ET)

Mit dem „Propensity Score Matching“ wurden verschiedenste Faktoren wie zum Beispiel: Alter, Geschlecht, beobachteter Stillstand, BLS durch Bystander, Initialer Rhythmus, Kompressionsrate und einige mehr gematched. Damit wurde sichergestellt, dass diese Faktoren gleichmäßig in den Gruppen verteilt sind – die Gruppen sind damit sehr gut vergleichbar und statistische Qualität ist sehr hoch.
Das Outcome
Als primärer Endpunkt der Studie fungierte das 30-Tage Überleben, sekundär wurde das neurologische Outcome anhand des Cerebral performace categorie scale untersucht wobei ein Score von 1-2 als erwünschtes Outcome definiert wurde.
Die Ergebnisse zeigen, dass Patienten mit Kontakt zu einem Larynxtubus ein generell schlechteres Outcome haben. Im Gegensatz dazu haben die Patienten in der Gruppe „Beutel/Maske Beatmung“ generell das beste Outcome. Dabei sind alle Ergebnisse statistisch hochsignifikant mit einem P-Wert von <0.001.

Pat/% BM (n=210) LT (n=210) ET (n=210) LT+ET (n=210)
30-Tage Überleben 51/24.3% 18/8.6% 36/17.1% 33/15.7%
Gutes neurologisches Outcome (CPC 1+2) 43/20.5% 14/6.7% 19/9.0% 20/9.5%

Ebenfalls interessant ist ein Vergleich der Odds Ratio zwischen den Gruppen, diese wurde von den Autoren in adjustierter und in nicht-adjustierter (auch hier zum Ausschluss von Störfaktoren) berechnet.
Die adjustierte Odds Ratio (95% Confidenzintervall) im Hinblick auf die Mortalität ergibt folgendes Bild:

  • ET: 0.37 (0.21-0.76), P=0.005
  • BM: 0.55 (0.24-1.24), P=0.149
  • LT: 1.97 (1.14-3.39), P=0.015
  • LT+ET: 0.74 (0.41-1.32), P=0.739

Dabei ist zu beachten, dass lediglich die Berechnungen in der Gruppe „LT“ und „ET“ ein statistisch signifikantes Ergebnis ergeben haben. Dennoch zeigt sich, dass die Gruppe „LT“ das schlechteste Outcome aufweist, während die Gruppe der primär endotracheal intubierten Patienten das beste Ergebnis vorweisen.
Die Ergebnisse der Studie lassen sich im Wesentlichen so zusammenfassen, dass die Anwendung des Larynxtubus bei diesem Patientenklientel mit einem deutlich schlechteren Outcome vergesellschaftet ist. Die guten Ergebnisse in der Gruppe der Beutel/Maske beatmeten Patienten müssen aufgrund unbekannter Störfaktoren mit großer Vorsicht interpretiert werden. Als Take-Home Message kann man festhalten, dass eine möglichst frühzeitige endotracheale Intubation angestrebt werden sollte.
Wir durften Raphael van Tulder einige Fragen stellen und freuen uns diese spannenden Ein- und Ausblicke mit Euch teilen zu dürfen.
#dasFOAM: Wie kam es zur Idee dieses Thema zu untersuchen? Gab es schon vor dem Vorliegen der Daten die subjektive Beobachtung, dass Patienten mit LT ein schlechteres Outcome haben?
 Van Tulder: In den letzten Jahren haben wir an der Universitätsklinik für Notfallmedizin die klinische Erfahrung gemacht, dass bei primär präklinisch versorgten Notfallpatienten der Larynxtubus in vielen Fällen nur suboptimal funktionierte und in zahlreichen Fällen unreflektiert eingesetzt wurde. In einer Beobachtungsstudie konnten wir gemeinsam mit der Wiener Berufsrettung zeigen, dass es zu einem linearen Anstieg der Anwendung des Larynxtubus als primäres Atemwegsdevice in den Jahren nach der Einführung kam – nicht nur bei schwierigen Atemwegsverhältnissen. 2013, 4 Jahre nach der Einführung des Larynxtubus bei der Wiener Berufsrettung wurde bereits jeder 4. Patient mit diesem Tubus intubiert.
Überraschenderweise hat sich in der Subgruppenanalyse auch gezeigt, dass im Vergleich zu den Intubationen welche durch Sanitäter durchgeführt wurden, die Notärzte häufiger zum Larynxtubus griffen als die Sanitäter. Das ist zum Teil dadurch erklärbar, dass der zunehmende Ärztemangel dazu führte, dass deutlich unroutiniertere Notärzte auf der Straße waren. Auch die Freigabe des Larynxtubus für Sanitäter führte zu einem deutlichen Zuwachs in der Verwendung des Larynxtubus. Generell gibt es aber sicher ein enden wollendes Bewusstsein für die Problematiken des Larynxtubus.
Es lag somit auf der Hand, dass wir unsere Beobachtungen untermauern und auf stabile wissenschaftliche Beine stellen wollten. Daher wurde diese Studie durchgeführt, um auch den Effekt auf das Outcome zu untersuchen.
#dasFOAM: Gibt es aus Deiner Sicht unmittelbar Dinge, die man ändern könnte um das Outcome zu verbessern wenn man die Anwendung des LT nicht vermeiden kann? 
Van Tulder: In den Fällen wo man um den Larynxtubus ohnehin nicht herumkommt, und das sind sicherlich sehr wenige Fälle, muss man sich als Notarzt sehr reflektiert fragen, ob der Larynxtubus wirklich gut sitzt und funktioniert. Es macht keinen Sinn den Tubus einzuführen um dann zu glauben, dass damit alles gut ist. Gerade bei diesem Airwaydevice muss man noch besser auf suffiziente Oxygenierung und adäquate Ventilation und der damit verbundenen Vitalwerte des Patienten achten. Leckagen, Dislokationen etc. können das Ergebnis erheblich beeinträchtigen und sind nicht immer einfach und sicher zu detektieren.
#dasFOAM: Was kannst du – örtliche SOPs vorbehalten – nicht-ärztlichen Providern für Ratschläge mitgeben? Sollte man bis zum Eintreffen eines Notarztes mit Beutel beatmen oder spielt eine kurzzeitige Anwendung des LT nur eine geringe Rolle?
Zahlreiche Registerstudien haben gezeigt, dass die Beutel-Masken-Beatmung im Outcome besser abschneidet. Dieses scheinbare Paradoxon ist z.T. mit kurzen Reanimationszeiten zu erklären, bei denen sich der Patient womöglich rasch erholt. Faktum ist, dass die suffiziente Beutel-Masken-Beatmung zu den schwierigsten Fertigkeiten in der Notfallmedizin zählt und der Larynxtubus erst aufgrund dieser Tatsache – zumindest in Österreich – so in den Vordergrund getreten ist.
Es ist also sicher so, dass es für den ungeübten einfacher ist den Larynxtubus anzuwenden als suffizient Beutel-Masken Beatmung zu beatmen. Trotzdem ist es bei kurzen Eintreffzeiten des Notarztes aus meiner Sicht durchaus vertretbar, wenn es gut funktioniert, bei den Basis-Atemwegsmanövern zu bleiben und mit Beutel-Maske zu beatmen bis der Notarzt kommt. In allen anderen Fällen ist es selbstverständlich auch die Aufgabe des Sanitäters, sich immer wieder zu vergewissern, dass die gesetzte Maßnahme auch wirklich gut funktioniert. Aber hierfür muss sicherlich auch viel Sensibilisierung und Schulung durchgeführt werden.
 #dasFOAM: Welche Mechanismen könnten aus Deiner Sicht für das schlechte Abschneiden des LT verantwortlich sein?
 Van Tulder: Nun, es gibt sicherlich mehrere Mechanismen von denen wohl noch nicht alle ausreichend untersucht sind:
 Zunächst scheint es wohl ein Ventilationsproblem an sich zu geben. Sodass eine optimale Oxygenierung, aber auch der Abtransport des CO2 nicht bei allen Patienten so gut funktioniert wie beim herkömmlichen Endotrachealtubus, der nach wie vor der goldene Standard ist. Darüber hinaus gibt es möglicherweise aufgrund der Größe des Cuff-Ballons eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des Carotis-Blutflusses. Dies konnte eine experimentelle Tierstudie an Schweinen eindrucksvoll zeigen. Segal et al. haben in dieser Studie den Carotis-Blutfluss bei verschiedenen supraglottischen Airwaydevices invasiv gemessen. Das Aufblasen des relativ großen Cuffballons führte dabei zu einer signifikanten Abnahme des Carotis-Blutflusses. Am Menschen gibt es derzeit dazu keine Daten. Es findet aber zu diesem Thema gerade eine Studie am Universitätsklinikum Krems statt. Ergebnisse aus dieser Studie sind für das Frühjahr zu erwarten.
#dasFOAM: Abseits des Goldstandards der ETI: In welche Richtung sollte sich aus Deiner Sicht das Atemwegsmanagement durch nicht-ärztliches Personal in den nächsten Jahren bewegen? Kommt jetzt die Larynxmaske?
Van Tulder: Auch die Larynxmaske hat ihre Schwierigkeiten und muss beübt werden. In den bereits erwähnten großen Registerstudien schnitten alle supraglottischen Airwaydevices verglichen mit dem Endotrachelatubus schlechter ab – also auch die Larynxmaske. Demnach erwarte ich keinen entscheidenden Vorteil durch den Einsatz der Larynxmaske an Stelle des Larynxtubus. Eine Verbesserung des Airwaymanagements erwarte ich mir nur durch intensive Schulung, Aus- und Fortbildung. Auch regelmäßige OP Praktika für Sanitäter sind zu fordern, wie sie bereits in einigen Organisationen jährlich stattfinden.
Auch wenn ich nicht unbedingt der Meinung bin, dass präklinische und besonders innerklinische Notfallmedizin ausschließlich eine Domäne der Anästhesie ist, immerhin sind die meisten Notfälle internistischer Natur, bleibt sie sichere Beherrschung des Airwaymanagements eine der größten Herausforderungen der Notfallmedizin. Egal welcher Profession man abstammt.
Für Rettungsorganisationen ergibt sich für mich daher, dass die Ausbildner sich ausführlich mit dem Problem auseinandersetzen und Konzepte erarbeiten müssen wie die Mitarbeiter besser geschult werden können. Regelmäßige Airwaypraktika im OP sind aus meiner Sicht für die sichere Anwendung unabdingbar – zumindest für die Kolleginnen und Kollegen die Airwaymanagement in Ihrem Aufgabengebiet haben. SOP’s müssen dort ansetzen, wo der der Endotrachealtubus als Goldstandard nicht adäquat eingesetzt wird. Regelmäßige Qualitätskontrollen müssen dies überprüfen und aufzeigen.
#dasFOAM: Vielen Dank für das Interview!


C7B96C15-5D11-4BC6-9507-885780682682
Priv. Doz. Dr. Raphael van Tulder ist Facharzt für Innere Medizin. Neben seiner Tätigkeit als Oberarzt an einer Internen Abteilung mit kardiologischem Schwerpunkt ist er im boden- und luftgebundenen Notarztdienst sowie der Aus- und Fortbildung tätig.

Print Friendly, PDF & Email

4 Kommentare

  1. Ein sicher sehr interessanter Artikel, dessen statistische Ergebnisse allerdings mit großen Fragezeichen zu versehen sind.
    Ein wesentlicher Bias ist offenbar nicht berücksichtigt worden, nämlich die Qualifizierung der Anwender. Es wird eingeräumt, dass offenbar sehr unterschiedliche Qualifikationen vorlagen. (unerfahrene Notärzte…)
    Eine Aussage über die Ursache der unterschiedlichen Outcomes muss diese allerdings berücksichtigen.
    Eine weitere Frage ist mir: wurde der LTS entsprechend dem Empfehlungen des Herstellers angewandt? Rückzug mit belüfteten Cuffs bei fehlender oder schlechter Ventilation?
    Sicher ist der LT nicht Mittel der ersten Wahl, aber bei schlechter Ventilation mit Maske oder fehlender Erfahrung mit ET ist der LT nach intensiver Schulung und Kenntnis der Probleme eine echte Möglichkeit Leben zu retten.
    Dr. Erdmuth Schubert
    Kinderarzt
    Dozent

  2. „Die meisten Patienten sterben nicht, weil wir nicht intubieren können sondern weil wir nicht aufhören es zu versuchen…!“[Zitat] Es bleibt eine unverrückbare Tatsache, dass ein Atemwegsmanagement zum Handwerkszeug des Retters/ der Retterin gehört, egal, welche Grundqualifikation er/ sie mitbringt. Jeder Rettungsdienstbereich hat die Verantwortung ein Standardverfahren und Alternativmethoden zu etablieren und auch die notwendige Routine dazu zu schaffen. Dazu gehört auch, dass auch die Paramediziner endlich den Goldstandard anwenden (können und dürfen). Ich lese jedoch noch eine andere Aussage aus der Studie: Das Atemwegsmanagement ist wichtig, wichtiger aber ist noch eine sehr, sehr, sehr hochwertige Herzdruckmassage. Denn „stehendes Blut ist schlechtes Blut…!“[Zitat]. Die Frage müsste in dieser Studie zu Grunde liegen: Wie und wie lange wurde eine suffiziente Herzdruckmassage durchgeführt? Nur dann ist m.E. eine Aussage über das Outcome des Atemwegsmanagements überhaupt möglich. Wird das Atemwegsmanagement zu hoch bewertet…?
    Andreas Hoffmann
    Rettungssanitäter NHF/ Schweiz
    Leitung Bildung

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.