Ruft man sich den Hyperkaliämie-Algorithmus des ERC ins Gedächtnis, so erinnert man sich hoffentlich, dass die Therapie derselben prinzipiell auf drei Säulen basiert:
- Kardioprotektion
- Kaliumverschiebung in die Zelle
- Kaliumelimination aus dem Körper
Hinsichtlich der beiden erstgenannten Punkte gibt es meist wenig Diskussionsbedarf, außer vielleicht der Frage wann der beste Zeitpunkt für die Kalziumgabe ist. Aus mir unerklärlichen Gründen besteht die dritte Säule der Kaliumelimination in diesem Algorithmus allerdings lediglich aus Resonium®-Gabe - einem Präparat aus der Gruppe der Polystyrolsulfonate, einem sogenannten Kationenaustauscher, welches die intestinale Aufnahme von Kalium verhindern soll, zu verwenden mittels oraler oder rektaler Applikation - und Dialyse. Kein Wort zur Gabe von Diuretika. Ist man sich bewusst, dass der Wirkungseintritt dieses Medikaments erst nach einigen Stunden erfolgt (für die rektale Applikation scheint ein in situ Belassen von 9 Stunden ideal) und das Nebenwirkungsprofil bei hochdosierter Gabe suboptimal erscheint, so kommt man unweigerlich zu der Annahme, dass eine akute Kaliumelimination hiermit nicht erreicht werden kann . Aufgrund dessen und als weitere Vorarbeit zum versprochenen BRASH-Syndrom möchte ich euch somit gerne erneut einen hervorragenden Post von Josh Farkas von PulmCrit näherbringen, der sich mit der Frage der Kaliumelimination etwas eingehender beschäftigt - wie immer als transkribierte Übersetzung und natürlich mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Wenn wir Resonium aus unserem Armamentarium der akuten Therapie verbannen, können wir uns auf eine effektivere Therapie der Hyperkaliämie (im Sinne der Kaliumelimination) konzentrieren: Der renalen Kaliumexkretion (ab sofort auch gemeinhin bekannt als Kaliurese). Jeder, der mit (forcierter) Diurese vertraut ist, weiß, dass es hierdurch zu einem Abfall des Kaliums kommen kann, zum Teil so weit, dass engmaschige Kontrollen und ggf. sogar eine Kaliumsubstitution von Nöten ist. Es wird Zeit dies zu unserem Vorteil zu nutzen.
Teil 1: Die Debatte um Bikarbonat
Drei Theorien, wie Bikarbonat in der Lage ist den Serumkaliumspiegel zu senken
Mechanismus #1: Transzelluläre Verschiebung in den Skelettmuskel Der Großteil des Gesamtkaliums im Körper ist in den Skelettmuskelzellen zu finden, was zur Folge hat, dass bereits kleine Kaliumverschiebungen zwischen Serum und Muskelzelle große Auswirkungen auf das Serumkalium haben können. Natrium-Bikarbonat ist auf verschiedenen Wegen in der Lage Kalium in die Muskelzelle zu verschieben. Durch Alkalisierung des Serums ist Bikarbonat indirekt verantwortlich, dass Kalium via eines H+/K+-Austausches (Abb. 1 A) in die Zelle transportiert wird. Zusätzlich, kann Bikarbonat indirekt mit Kalium zusammen in die Zelle transportiert werden (Abb. 1 B) .

Mechanismus #2: Renale Exkretion Eine akute metabolische Azidose beeinträchtigt die renale Kaliumexkretion, wohingegen sie durch eine metabolische Alkalose erleichtert wird. Hauptsächlich ist dies durch die Regulation von Kaliumkanälen im distalen Nephron bedingt, welche bei Azidose herunter reguliert und bei Alkalose hoch reguliert werden. Zusätzlich inhibiert eine Alkalose die Reabsorption von Natrium-Bikarbonat im proximalen Tubulus, was wiederum die Kaliumexkretion durch Erhöhung der distalen Natriumkonzentration und Flussrate erleichtert :

Mechanismus #3: Verdünnung Wenn eine große Menge an isotonischer Bikarbonatlösung gegeben wird, kann es bedingt durch einen Verdünnungseffekt zu einer Abnahme der Kaliumkonzentration kommen. Nehmen wir einen 70 kg schweren Standardmann mit einer Kaliumkonzentration von 8 mmol/l und einem extrazellulären Flüssigkeitsvolumen von 15 Litern. Ignorieren wir vorübergehend jeden Effekt den die Kaliumverschiebung haben kann, so würde alleine die Infusion von zwei Litern isotonischem Bikarbonat zu einem Abfall der Kaliumkonzentration auf 7,1 mmol/l führen, bedingt durch die Erweiterung des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens auf 17 Liter.
Hypertones Bikarbonat scheint ohne Effekt zu sein
Normalerweise wird für die Therapie der Hyperkaliämie hypertones 8,4% Natrium-Bikarbonat (was eine Osmolalität von ungefähr 2000 mOsm besitzt, ungefähr siebenmal höher als Plasma) verwendet. Leider scheint hypertones Bikarbonat einheitlich in mehreren Studien ineffektiv zu sein .
Hypertone Lösungen sind bekannt dafür durch Verschiebung von Kalium aus den Zellen hinaus den Serumkaliumspiegel erhöhen zu können . Eine der möglichen Erklärungen hierfür ist der sogenannte Solvent Drag im Rahmen eines parazellulären Transports. Ein Anstieg der Plasmaosmolalität führt zu einem Schrumpfen der Zellen, was ebenfalls zu einem Anstieg der intrazellulären Kaliumkonzentration führt. Der Konzentrationsausgleich mit dem Serum führt schließlich dazu, dass Kalium die Zelle verlässt (es wird sozusagen im Gefolge des Wasser mit aus der Zelle heraus gezogen).
Warum genau hypertones Bikarbonat nicht funktioniert ist nicht abschließend geklärt. Es ist möglich, dass der eben beschriebene hypertone Effekt alle positiven Auswirkungen wieder aufhebt. Es kann aber auch sein, dass für die Untersuchung der sofortigen Wirkung von hypertonem Bikarbonat lediglich Mechanismus #1 - die transzelluläre Verschiebung in den Skelettmuskel - zum Tragen kommt und somit der Vorteil der Mechamismen #2 und #3 gar nicht berücksichtigt wird.
Bikarbonat scheint bei Fehlen einer Azidose ineffektiv zu sein
Bei Patienten ohne nennenswerte vorbestehende Azidose scheint Bikarbonat ebenfalls seine Wirkung zu verlieren. Blumberg et al und Allon et al konnten an dauerhaft dialysepflichtigen Patienten mit einer durchschnittlichen Bikarbonatkonzentration von 22 mmol/l zeigen, dass sogar eine isotone Bikarbonatlösung ineffektiv war. Hierfür gibt es mehrere Erklärungsmöglichkeiten. Der Kanal zum Na+/H+-Austausch im Skelettmuskel wird bei einer Azidose hoch- und bei einer Alkalose herunter reguliert (Abb. 3). Der HCO3-/K+ Kotransport wird teilweise durch eine intrazelluläre Azidose angetrieben, welche einen Gradienten erzeugt, der den Übergang von Bikarbonat in die Zelle erleichtert. Aufgrund dessen ist dieser Mechanismus bei fehlender Azidose ebenfalls weniger effektiv .

Isotonische Bikarbonatlösung kann bei einer metabolischen Azidose effektiv sein
Die verfügbare Evidenz legt den Schluss nahe, dass Patienten mit einer vorbestehenden metabolischen Azidose von größeren Volumina einer isotonen Bikarbonatlösung profitieren . Fraley et al untersuchten 1977 den Effekt einer 4-6 stündigen Infusion eines Liters D5W (5% Glucoselösung) mit 89 mmol/l bzw. 134 mmol/l Natrium-Bikarbonat an 18 hyperkaliämen Patienten mit bestehender metabolischer Azidose. Patienten mit persistierender Hyperkaliämie wurden im Verlauf mit zusätzlichem Bikarbonat behandelt. Von den 18 Patienten erhielten vier initial zusätzlich einen Liter D5W (was sich als ineffektiv herausstellte). Es zeigte sich ein linearer Zusammenhang zwischen abnehmendem Kalium und ansteigendem Bikarbonat; mit jedem Anstieg des Bikarbonats um 1 mEq/l kam es zu einem Abfall des Kaliums um ca. 0,15 mmol/l. Retrospektiv wurden die Patienten in zwei Gruppen eingeteilt, abhängig davon, ob der pH des Serums während der Therapie anstieg oder eben nicht. In beiden Gruppen kam es zu einem Abfall des Kaliums während der Bikarbonattherapie (Abb. 4). Es konnte kein Zusammenhang zwischen der renalen Kaliumexkretion und der Veränderung des Serumkaliums hergestellt werden, was die Vermutung nahe legt, dass die renale Exkretion nicht primär für die Änderung verantwortlich gemacht werden kann. Natürlich ist diese Studie alles andere als makellos in ihrem Design und Durchführung, u.a. bedingt durch den Gebrauch unterschiedlicher Konzentrationen und Volumina an Bikarbonat.

1991 untersuchten Gutierrez et al die Auswirkung von isotoner und hypertoner Bikarbonatlösung, isotonischer und hypertoner Kochsalzlösung auf Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz und metabolischer Azidose und dauerhafter Dialysetherapie (Abb. 5). Bei einer Dosierung von 1 mEq/kg zeigte hypertones Bikarbonat keine Wirkung, wohingegen isotones Bikarbonat eine durchschnittliche Abnahme des Serumkaliums von 0,35 mmol/l herbeiführte (p<0,05). Obwohl diese Ergebnisse von einigen dahingegen interpretiert worden sind, dass Bikarbonat per se ineffektiv sei, so ist die gewählte Dosierung von 1 mEq/kg niedriger angesetzt als bei anderen Untersuchern. Der hier beobachtete Rückgang von 0,35 mmol/l im Serumkalium mit dem gleichzeitigen Anstieg von 3 mEq/l Serum-Bikarbonat deckt sich mit den Ergebnissen von Fraley et al (s.o.) und Blumberg et al (s.u.). Bitte beachtet, dass Kochsalz die Tendenz hatte den Kaliumspiegel anzuheben - was wir später näher betrachten werden.

1992 untersuchten Blumberg et al die Auswirkung von Bikarbonat an 12 Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz, metabolischer Azidose und dauerhafter Hämodialyse. Zunächst erhielten die Patienten 240 ml 8,4% Bikarbonat über eine Stunde, gefolgt von einer Infusion von 900 ml isotoner Bikarbonatlösung (1,4%) über die nächsten 5 Stunden. Das hypertone Bikarbonat hatte nur einen geringen Effekt auf das Serumkalium währen der ersten Stunde, wohingegen die isotone Bikarbonatinfusion während der nächsten 5 Stunden das Serumkalium zu senken schien (Abb. 6). Die Autoren berechneten, dass ungefähr die Hälfte dieser Abnahme durch einen Verdünnungseffekt im Sinne einer Vergrößerung des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens zustande gekommen sein müsste (vgl. Mechanismus #3). Leider sind die Ergebnisse der Studie nur eingeschränkt beurteilbar, da nicht klar ist ob der Kaliumabfall der isotonen Bikarbonatinfusion oder einer verzögerten Wirkung des hypertonen Bikarbonats zuzuschreiben ist.

Fazit in Bezug auf Bikarbonat
Schlussendlich sind die publizierten Ergebnisse hinsichtlich Bikarbonat unbefriedigend. Abgesehen von Fraley et al untersuchten alle o.a. Studien Patienten mit chronischer, terminaler Niereninsuffizienz und moderater Hyperkaliämie, welche regelmäßig hämodialysiert werden. Die Ergebnisse dieses Patientenkollektivs können nicht verallgemeinert auf Patienten mit akuter, lebensbedrohlicher Hyperkaliämie übertragen werden, die häufig schwer azidotisch sind und sich im akuten Nierenversagen befinden. So könnte es beispielsweise sein, dass dauerhaft hämodialysierte Patienten ein per se chronisch erhöhtes intrazelluläres Kaliumlevel haben, und aufgrund dessen nicht so gut in der Lage sind zusätzliches Kalium nach intrazellulär zu verschieben. In der Tat ist terminale Niereninsuffizienz bekannt dafür den extrarenalen Kaliummetabolismus auf mehreren Wegen zu beeinflussen, unter anderem durch eine verminderte Funktion der Na+/K+-Kanäle .
Generell ist eine definitive Schlussfolgerung diesbezüglich anhand der vorhandenen Literatur leider nicht möglich. Theoretisch und basierend auf experimenteller Evidenz scheint isotones Bikarbonat bei Patienten mit einer metabolischen Azidose nutzbringend zu sein. Jeder Anstieg an Bikarbonat um 1 mmol/l führt wahrscheinlich zu einem Abfall des Kalium um 0,15 mmol/l, was vermuten lässt, dass eine große Menge an isotonem Bikarbonat benötigt werden würde (z.B. genug Volumen, um die Serum-Bikarbonatkonzentration um 5-10 mmol/l anzuheben, d.h. grob überschlagen 1-2 Liter) . Diese Möglichkeit haben wir bei bereits mit Volumen überladenen Patienten natürlich nicht. Der ideale Kandidat für eine Bikarbonattherapie wäre demnach ein Patient im Volumenmangel, Hyperkaliämie und einer metabolischen Azidose, da isotones Bikarbonat alle drei Probleme gleichzeitig beheben könnte.
Teil 2: Keine isotone Kochsalzlösung
Und was ist nun mit der Flüssigkeitshterapie bei hyperkaliämen Patienten, welche keine metabolische Azidose haben? Auch wenn NaCl 0,9% in der Vergangenheit regelhaft hierfür verwendet worden ist, so konnte dennoch in drei randomisierten, kontrollierten Studien gezeigt werden, dass es hierdurch zu einer hyperchlorämischen, metabolischen Azidose mit Verschlimmerung der Hyperkaliämie kommt (ausgenommen Gutierrez et al; wer dem ganzen weiter auf den Grund gehen möchte, sei hierhin verwiesen). Vielmehr ist es sicher Ringer-Laktat bei hyperkaliämem Nierenversagen zu verwenden und führt bewiesener Maßen zu weniger Hyperkaliämien als isotone Kochsalzlösung. Von allem was in diesem Beitrag diskutiert wird, hat der “Schaden” von NaCl 0,9% die beste Evidenz (drei unabhängige, prospektive, doppel verblindete RCTs).
Teil 3: Diurese vs. Dialyse
Bisher ging man davon aus, dass es drei Wege gibt, um Kalium zügig aus dem Körper zu entfernen: Durch Stuhl (Polystyrolsulfonaten), Urin (Kaliurese) und Dialyse. Durch Streichen der Polystyrolsulfonate aus dem Behandlungsalgorithmus wird die Angelegenheit vereinfacht und wir bekommen die Möglichkeit uns auf die überaus effektive und häufig zu selten angewandte Kaliurese zu konzentrieren. So wurde in einem 2010 veröffentlichen Übersichtsartikel zur Therapie der Hyperkaliämie die Diurese überhaupt nicht erwähnt , ebenso wenig wie im ERC-Algorithmus.

Es ist sinnvoll bei einem Patienten mit lebensbedrohlicher Hyperkaliämie einen einzelnen Versuch der Kaliurese, bevor man zur Dialyse übergeht, zu starten oder zumindest gleichzeitig während der Vorbereitung zur Dialyse (z.B. wenn keine unmittelbare Dialysemöglichkeit besteht und diese zunächst organisiert werden muss). Natürlich gibt es bestimmte Situationen, wie z.B. chronisch anurisches Nierenversagen, in denen die Kaliurese wahrscheinlich keinen Erfolg bringt; hier erscheint es vernünftiger direkt die Dialyse anzustreben.

Die meisten Diuretika verursachen eine Kaliumverlust im Urin. In der Regel wird ein Schleifendiuretikum als wirksamste verfügbare Medikamentengruppe als Grundlage der diuretischen Therapie verwendet. Für Patienten mit lebensbedrohlicher Hyperkaliämie ergibt es Sinn mehrere Diuretika gleichzeitig zu verwenden, da es durch die Blockade der Kaliumreabsorption an unterschiedlichen Stellen zu einem synergistischen Effekt im Sinne einer sequenziellen Nephronblockade kommt (vgl. Abb. 8). Auch bei zunehmend diuretikaresistenten Patienten wird die Kombination aus Schleifendiuretikum und Thiaziden häufig verwendet, mit dadurch gesteigerter Wirksamkeit und erhöhtem Kaliumverlust . Dadurch, dass Acetazolamid die Bikarbonatzufuhr im distalen Nephron erhöht, scheint es besonders kaliuretisch zu wirken .
Es existiert keine Evidenz hinsichtlich der Anzahl oder der genauen Dosierung der zu verwendenden Diuretika. Im Rahmen einer lebendbedrohlichen Hyperkaliämie ist in der Regel nur Zeit für einen einzelnen Versuch zur Kaliurese. Aufgrund dessen erscheint ein eher aggressiver Therapieversuch sinnvoll. Bei einem Patienten mit einer renalen Dysfunktion, bei welchem eine eingeschränkte Reaktion erwartet wird, kommt die Kombination unterschiedlicher, hoch dosierter Medikamente in Betracht (z.B. Furosemid und Chlorothiazid jeweils i.v. ). Die Gefahr der “Überdiurese” und des damit verbundenen Elektrolytverlusts kann durch engmaschige Kontrolle der letzteren und bedarfsangepassten Ersatz minimiert werden. Um einen euvolämen Zustand im Rahmen des renalen Flüssigkeitsverlusts erhalten zu können, müssen die Urinausscheidung und der Volumenstatus bei ggf. gleichzeitiger Volumensubstitution ebenfalls streng überwacht werden.
Aufgrund der fehlenden Evidenz, muss die Anzahl und die Dosierung der Diuretika der klinischen Beurteilung und Erfahrung überlassen werden. Im Genius General Hospital unserer Kollegen von emcrit.org - wir haben im dasHOSPITAL auch ähnliche Patienten behandelt - wurde vor einiger Zeit ein liebenswürdiger älterer Herr mit chronischer Niereninsuffizienz aufgenommen, bei dem sich bedingt durch eine Hyperkaliämie eine Bradykardie mit Kreislaufinstabilität entwickelt hatte. Er wollte nie dialysiert werden und verweigerte selbst in dieser Situation eine vorübergehende Dialysetherapie. Im Wissen, dass er diesen Zustand nicht lange wird überleben können, wurde eine maximale Kaliurese induziert (200 mg Furosemid i.v., 500 mg Acetazolamid i.v., 1000 mg Chlorothiazid i.v. und isotones Bikarbonat). Er sprach gut auf die Therapie an und benötigte schließlich sogar Kalium und Flüssigkeit. Im Nachhinein betrachtet hätte er sicher auf eine weniger aggressiv diuretische Therapie reagiert. Im Falle einer lebensbedrohlichen Hyperkaliämie scheint jedoch einer Überbehandlung mit anschließend sorgfältiger und bedarfsangepasster Elektrolyt- und Flüssigkeitssubstitution besser zu sein.
- Weder Polystyrolsulfonate (Resonium® oder Elutit®) noch hypertone Bikarbonatlösung (d.h. 8,4% Bikarbonat) sind für die akute Behandlung der Hyperkaliämie hilfreich.
- Isotone Bikarbonatlösung scheint effektiv bei Patienten mit metabolischer Azidose zu sein. Leider sind hierfür große Volumina notwendig und es sollte demnach nicht bei bereits volumenüberladenen Patienten zum Einsatz kommen.
- Isotone Kochsalzlösung verschlechtert nachweislich die Hyperkaliämie und sollte vermieden werden. Für hypovoläme Patienten ohne metabolische Azidose ist Ringerlaktat oder Vollelektrolytlösung eine sinnvolle Wahl.
- Kaliurese (also die gesteigerte Kaliumexkretion mit Hilfe von Diuretika) kann bei Patienten mit noch restlicher Nierenfunktion sehr effektiv sein. Andernfalls muss auf eine Notfalldialyse ausgewichen werden.
- Im deutschsprachigen Raum müssen wir auf die intravenöse Gabe von Thiaziddiuretika verzichten, da ein entsprechendes Präparat fehlt. Eine Kombination aus Furosemid und Acetazolamid erscheint dementsprechend erstrebenswert, ggf. ergänzt um eine oralen Gabe von Hydrochlorothiazid.
Weitere FOAM-Ressourcen zum Thema:
- Podcast von Scott Weingart von 2010 zur Behandlung einer schweren Hyperkaliämie
- Review von L. Weisberg zur Therapie der schweren Hyperkaliämie (hier als pdf). Obwohl dieser Artikel bereits neun Jahre alt ist, ist und bleibt es einer der besten Übersichtsartikel zu diesem Thema.
- Sind Polystyrolsulfonate effektiv? Dieser Frage wurde bei EMLyceum, EMCrit, Precious Bodily Fluids und Kamel et al 2012 ausführlich nachgegangen. Dem dort gesagten und geschriebenen gibt es nichts Neues hinzuzufügen.
- Post von J. Farkas zur pH-gesteuerten Volumentherapie
- Der Einfluss des pH darauf wie die Niere Kalium behandelt wird sehr ausführlich und anschaulich bei Aronson et al 2011 erklärt.
Folgende Frage: Was ist mit kombinierter Glucose-Insulin-Infusion und Salbutamol inhalativ als Möglichkeiten zur intrazellulären Verschiebung?
Natürlich sind deine genannten Therapien zur Verschiebung richtig und wichtig, insbesondere im akuten Setting, wo ich schnell Ergebnisse brauche. Der Fokus des Beitrages bezieht sich aber auf eine andere Behandlungssäule und zwar wie bekomme ich Kalium aus dem Körper raus. Mit Insulin und Beta-Agonisten verschiebe ich ja lediglich. Deswegen wurde dieser zusätzlich wichtige Behandlungsansatz hier nicht explizit angesprochen. Neben den Austauscherharzen und der Dialyse wollten wir das Augenmerk auf die forcierte Diurese aka Kaliurese legen.
Wirklich eine super Übersicht - schön und verständlich geschriebener Artikel.
Ich möchte darauf hinweisen, dass bei nicht akut lebensbedrohlicher Hyperkaliämie (ohne EKG Veränderungen) und geplanter Dialyse ein intrazellulärer Shift sogar kontraproduktiv ist. Das in die Zelle verschobene Kalium kann nicht dialysiert werden und der Patient (der bei Erstdialyse ohnehin nur kurz dialysieren kann bei Gefahr eines Dysequilibriums) hat nach 5-6 Stunden einen Kalium-Rebound.
Zudem muss man (wie auch korrekt beschrieben) sehr genau auf den Volumenstatus und die Restausscheidung des Patienten achten. Bei erhaltener Restausscheidung kann sicherlich einen Therapieversuch mit Diuretika begonnen werden. Bei anurischen, eu- bis hypervolämen Patienten ist eine Gabe von isotonem Bicarbonat sehr gefährlich und die Dialyse sicherlich primär die sicherste Wahl.
Natürlich beuge ich mich der dargelegten Evidenz (auch wenn sie im Widerspruch zur Leitlinie steht), bin aber persönlich sehr überrascht über die Aussagen zu Resonium. Insbesondere bei chronischen Dialysepatienten im langen Dialyseintervall habe ich selbst schon häufig eine effektive Kaliumsenkung über Resonium erreicht. Ich glaube, eine erneute Evaluierungsstudie wäre sicher spannend und hier insbesondere eine exakte Definition der Patientengruppe.
Letztlich gibt es aus meiner Sicht zwei Arten von Patienten: die, die SOFORT Kaliumsenkung brauchen, wegen rhythmogener Instabilität und die Patienten, die Kaliumsenkung in den nächsten Stunden brauchen. Erstere brauchen Calcium und einen Shift bis zur Akutdialyse. Letztere müssen sehr differenziert betrachtet werden, profitieren sicher von den im Artikel erläuterten Therapien aber sollten insbesondere bezüglich einer zeitnahen Dialyse evaluiert werden. So ja auch in der Leitlinie erwähnt (Expertenhilfe anfordern..)
Danke für deine Anmerkungen. Das Resonium zu einer Senkung des Kaliums führt ist sicher auch mehrfach gezeigt worden (vgl. https://mobile.twitter.com/pulmcrit/status/949662030029565952?ref_src=twcamp%5Eshare%7Ctwsrc%5Eios%7Ctwgr%5Eother ). Die große Frage ist halt nur wie viel Zeit ich mir und dem Patienten gebe.