TCA: Drücken ist zwecklos.

Thoraxkompressionen und Defibrillation sind die beiden Grundpfeiler jeder guten Reanimation und im Grunde genommen die einzigen Faktoren(!), von denen wir eindeutig wissen, dass sie sich stark positiv auf das Outcome der Patienten auswirken.

Wie schon in meinem letzten Artikel angedeutet (Reanimieren wir falsch?), gibt es aber eine Ausnahme, die unglaublich wichtig ist, wenn auch in Deutschland nur selten anzutreffen:

Der traumatische Kreislaufstillstand (TCA).


Entgegen des weit verbreiteten Glaubens ist die Überlebenschance eines traumatischen Arrests nicht unbedingt schlechter als die des Nicht-traumatischen (Lockey 2004, Huber-Wagner 2007, Russell 2011). Da die Pathophysiologien beider Kreislaufstillstände aber völlig verschieden sind, habe ich deshalb in nächtelanger schweißtreibender Arbeit eine übersichtliche Tabelle errichtet, in der wir uns die häufigen Gründe ansehen, warum ein Traumapatient keinen Kreislauf mehr hat und ob eine Standard-Reanimation, also Herumdrücken auf dem Brustkorb (und ab und zu mal (Edison-) Medizin), in der Initialphase der Reanimation was bringt*:

TCR_Probleme.jpg

Oh. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet.
Man soll ja Bilder benutzen, um dem Leser Dinge zu veranschaulichen, und ich liebe Diagramme, deshalb hier zur Veranschaulichung ein Kreisdiagramm:

Kreis-Diagramm.jpg

Um es auf die ‚Meta-Ebene‘ zu bringen – die häufigsten Gründe für einen traumatischen Kreislaufstillstand lassen sich in obstruktiv und hypovoläm einteilen. Entweder kann also durch Obstruktion kein Blut aus dem Herzen mehr raus, oder es ist kein Blut mehr da. In beiden Fällen hilft es logischerweise nicht, das Herz durch Thoraxkompressionen ersetzen zu wollen, denn am Herz liegt’s ja nicht, es funktioniert grundsätzlich, kann aber gerade nicht effektiv arbeiten. Mit Thoraxkompressionen erzeugt man also keinen beziehungsweise keinen besseren Auswurf. Im Tiermodell konnte gezeigt werden, dass im hämorrhagischen und obstruktiven Schock Thoraxkompressionen nicht helfen bzw. sogar die ROSC-Rate verschlechtern (Watts 2019, Jeffcoach 2016, Luna 1998).
Patienten im TCA haben oft initial eine PEA, aber dabei noch kardiale Aktivität, allerdings bei ausgeprägter Hypotension, sodass kein tastbarer Puls erzeugt werden kann. Der Patient hat also einen Puls, nur spürt man ihn nicht. Deshalb ist der traumatische Kreislaufstillstand eigentlich initial kein Kreislaufstillstand, sondern meistens ein Zustand mit niedrigem Blutdruck und wenig kardialem Auswurf (low output state) (Smith 2015).
Die Ursachen: „Reversibel“.
Das eigentliche Problem liegt also woanders, aber es gibt gute Neuigkeiten, denn die Ursachen heißen nicht ohne Grund „reversibel“! Doch, kurz zur Erinnerung: Der Patient ist reanimationspflichtig. Jede Sekunde ohne Kreislauf und Sauerstoffversorgung sterben ein paar (Gehirn-)Zellen mehr ab. Und was ist ein effektiver Weg, die so drängende Behebung der reversiblen Ursachen hinauszuzögern oder zu erschweren? Richtig: Herzdruckmassage.
Hier eine weitere Tabelle, die aufgeräumt darstellt, bei welchen wichtigen Interventionen eine Herzdruckmassage hilft.

Interventions.jpg

Das Kreisdiagramm lasse ich diesmal weg.
Anmerkung: Eine Thorakostomie (engl. ‚finger thoracostomy‘) ist der Zugangsweg für eine Thoraxdrainage, nur dass anschließend keine Drainage eingelegt wird. Das spart Zeit. Damit das Loch auch offen bleibt, kann man ab und zu manuell mit dem Finger neu dilatieren. Die Thorakostomie ist der Nadeldekompression überlegen.
In jedem Fall bindet die Herzdruckmassage in der initialen Versorgungsphase des traumatischen Arrests personelle und kognitive Ressourcen, bringt Unruhe in die Szene und erschwert rein räumlich einen Arbeitszugang zum Patienten. Außerdem wird der mentale Fokus des Teams falsch gelenkt von einer problemorientierten Ursachenforschung und -Behebung hin zur Denkschublade „normaler Kreislaufstillstand“ mit folglichem Abarbeiten von Algorithmen, die im traumatischen Arrest wenig helfen und mit nicht unbedingt sinnvollen Maßnahmen einhergehen, wie z.B. der Gabe von Adrenalin und Amiodaron.

Fehlende Expertise?
Jetzt werden wahrscheinlich wieder viele Leute aufschreien und sagen, dass in kleineren Krankenhäusern oder im Rettungsdienst keine Expertise vorhanden ist, um bestimmte Interventionen durchzuführen, und dass deshalb doch lieber einfach normale Thoraxkompressionen durchgeführt werden sollten.
Im professionellen Setting ist das unterlassene Hilfeleistung. Einem Patienten potentiell lebensrettende Maßnahmen vorzuenthalten, und seien es nur einfache bilaterale Thorakostomien, zugunsten von etwas, das dem eigenen Gewissen hilft und nicht dem Patienten? Dann kann ich auch gleich auf Facebook um „thoughts and prayers“ bitten. Oder HES bei Sepsis geben. Oder Globuli bei Anaphylaxie. Oder literweise Kristalloide beim akut blutenden hämorrhagischen Schock, aber dazu kommen wir gleich noch.
Nichtsdestotrotz lohnt es sich natürlich immer, die Zeit bis zum Zielkrankenhaus mit der Option für „load&go“ im Hinterkopf zu behalten.
Bei einer ebenfalls seltenen „can’t intubate & can’t ventilate“ – Situation, in der sich eine notfallmäßige Koniotomie anbahnt, sagt auch niemand: „Ähm, ja sorry, aber geht jetzt grad nicht, es ist kein HNO-Arzt anwesend.“ Es liegt nämlich in der Verantwortung des medizinischen Personals, bestimmte Maßnahmen, auch wenn sie selten sind, im Notfall durchführen zu können. Dinge, die erledigt werden müssen, und am besten sofort, denn wenn die Indikation zur Koniotomie gestellt wird, ist meist schon eine gewisse Zeit vergangen, in der der Patient nicht oxygeniert wurde. Also keine Diskussion, es muss gemacht werden, und dann mit bestem Wissen und Gewissen. Das ist der Sinn der Sache: „Ultima ratio“, von lateinisch ultimus „letzte“ und ratio „Mittel“. Gleiches gilt für bestimmte Interventionen, und ja – auch für die Thorakotomie, wenn die Indikation beim traumatischen Arrest richtig gestellt wurde.

Ultima_ratio_Maßnahmen.jpg

Die Maßnahmen
Im Englischen gibt es das HOTT-Schema als Merkhilfe für reversible Ursachen und Interventionen beim traumatischen Arrest (hemorrhage, oxygen, tamponade, tension pneumothorax) oder frei übersetzt in’s Deutsche mit SHOT (und „S“ für die Präklinik) – passt ja zum Trauma:

  • Spannungspneumothorax: Entlasten, am besten mit bilateralen Thorakostomien.
  • Hypovolämie: Ausgleichen, am besten mit Blut, sonst Kristalloide. Und natürlich Blutungen stoppen, dazu gehört auch die Beckenschlinge.
  • Oxygenierung: Sicherstellen, Atemweg sichern und Sauerstoff aufdrehen. Aber vorsichtig beatmen, mit Blick auf den intrathorakalen Druck bei einer ohnehin vulnerablen Kreislaufsituation.
  • Tamponade: Entlasten, mit Thorakotomie. Nur wahrscheinlich bei spitzem Thorax-/Oberbauchtrauma.
  • (Schnell weg hier: Ab in’s Krankenhaus, zur definitiven Versorgung.)

shot.jpg

Außerdem gibt es das Phänomen der „Impact Brain Apnoea“: Patienten hören teilweise bei starker Gewalteinwirkung auf den Schädel direkt auf zu atmen. Werden diese Patienten nun aber zügig ventiliert, so lässt sich die Hypoxie korrigieren, eine Spontanatmung wiederherstellen und oft ein gutes Outcome erzielen (Wilson 2016).

Das alles ist nichts Neues!
Gerade weil wir Reanimationsmaßnahmen von klein auf eingetrichtert bekommen haben, sträubt sich jeder Mensch mit medizinischem Hintergrund erstmal dagegen, wenn beim traumatischen Arrest nicht klassisch reanimiert werden soll. Und das ist grundsätzlich gut so, denn es ist eine gesunde Reaktion. Aber: Hier muss das Frontalhirn übernehmen, indem es den Instinkt und die Emotionen in Schach hält.
Die erste beschriebene erfolgreiche Notfall-Thorakotomie fand 1902 auf einem Küchentisch statt, in die gängigen Buchstabenkurse sind die Interventionen schon lange integriert, und seit 2015 heißt es in den ERC-Leitlinien, dass Thoraxkompressionen eine niedrigere Priorität haben als genannte Interventionen. Aber es findet scheinbar nur langsam den Weg in die Köpfe der Leute.
Man muss sich das Ganze mal wirklich klar machen, ein konkretes Beispiel: Beim Patienten im frischen traumatischen Arrest, der gerade vom Rettungsdienst unter laufenden Thoraxkompressionen in den Schockraum eingeliefert wird: Thoraxkompressionen einstellen.
Patient dann z.B. in die „Kruzifix“-Position, also beide Arme 90° abduziert, um beidseits einen guten Zugang zum Thorax des Patienten zu haben und die Arme frei und weg vom Geschehen, damit sich Teammitglieder an den Venen (und ggf. Knochen) austoben können. Jetzt hat man ein gutes Fundament für die SHOTs geschaffen. Dem Team zu vermitteln, dass mit den Thoraxkompressionen aufgehört wird, obwohl die Reanimation an sich nicht abgebrochen wird, ist in dieser Situation eine anspruchsvolle Aufgabe.

Point of care – Ultraschall
Ich liebe Ultraschall (POCUS) und wir planen gerade die Hochzeit, aber leider ist die Rolle davon in diesem Setting im Grunde genommen darauf begrenzt, eine mögliche Perikardtamponade zu identifizieren – und anschließend vielleicht noch einen kurzen Blick in den Bauch zu werfen. Bilaterale Thorakostomien gehören beim traumatischen Arrest so oder so zum All-Inclusive-Programm dazu.
Mal ganz abgesehen von den „4E“-Kriterien (elapsed time <10min, expertise, equipment, environment) für eine Thorakotomie: Hat der Patient keine kardiale Aktivität und keine Perikardtamponade im Sono, ist die Überlebensrate verschwindend gering (<1%), und man sollte grundsätzlich überdenken, ob Interventionen Sinn machen (Inaba 2015, Cureton 2012, Moore 2011).

Kristalloide bei Trauma
Wir bei dasFOAM bashen ja fleißig und gerne HES und NaCl – denkt immer daran, Salzwasser ist für Nudeln, nicht für Patienten!
Da lasse ich mir die Gelegenheit jetzt aber auch nicht entgehen, mal grundsätzlich mit Kristalloiden bei Trauma abzurechnen:
Für Patienten im hämorrhagischen Schock können Kristalloide die Situation verschlimmern, denn sie haben keinerlei Sauerstoff-Transportkapazität, fördern durch den Verdünnungseffekt von Gerinnungsfaktoren im Blut eine Koagulopathie (20% Verdünnung mit 1l Infusion bei 4l Blut!) und begünstigen Hypothermie. Außerdem kann noch der Azidose-Effekt dazu kommen – und siehe da: Wir haben alle 3 Säulen der tödlichen Trauma-Trias (Koagulopathie, Hypothermie, Azidose) erfolgreich unterstützt.
Was stattdessen hilft, ist Blut! und damit meine ich kein Erythrozytenkonzentrat, jedenfalls nicht nur, sondern Blut!, denn da sind ja – wir erinnern uns an den Biologieunterricht in der Schule – noch Gerinnungsfaktoren (und Thrombozyten) mit drin. Deshalb ist immer mehr von einem in Deutschland mit Pool- bzw. Apherese-TKs 4:4:1 Transfusions-Verhältnis von Erythrozyten, Plasma und Thrombozyten die Rede, und einer präklinischen Bluttransfusion neuerdings mit Vollblut bzw. Plasma (Bahr 2016, Sperry 2018). Aber auch das ist: Nichts Neues (Barkana 1999).
Grundsätzlich, und insbesondere wenn man gerade kein Blut zur Verfügung hat, sollte man sich an die permissive Hypotension erinnern, doch das ist ein Thema für sich.


Und auch beim nicht-traumatische Arrest gilt:
Die Reanimation ist eine Intervention bei einem Kreislaufstillstand. Aber der Kreislaufstillstand selber ist Symptom, und nicht die Diagnose. Er ist Folge und nicht Ursache.
Dementsprechend ist die Reanimation alleine nicht die Lösung, sondern Fundament, auf welchem die Behandlung erst anfängt.


KERNAUSSAGEN.jpg

Für die Leute, die nur runtergescrollt haben, um die Zusammenfassung zu lesen:
Hier seid ihr richtig.

  • Thoraxkompressionen haben im initialen Management des traumatischen Kreislaufstillstands nichts zu suchen.*
  • Stattdessen sollte man sich so schnell wie möglich um die SHOT(S) kümmern. Prost!

*: Natürlich gibt es, wie immer in der Medizin, Ausnahmen. Hierzu gehören der Neurogene/Hypoxische Arrest, das internistische Problem, das zum Trauma geführt hat, und auch die Commotio cordis.  In diesen Fällen, und wenn die Sache nicht eindeutig ist, ist man logischerweise mit normalen Reanimationsalgorithmen eher auf der sicheren Seite.

Lest auch: Drücken ist nicht zwecklos!


Wie genau die Interventionen aussehen, haben die Kollegen von FOAMina in zwei Beiträgen schön zusammengefasst: Teil 1, Teil 2.
Der Artikel darf im Sinne von #FOAMed ausdrücklich gerne studiert und zitiert, geteilt und verteilt, ausgedruckt und ausgelegt, geknickt und verschickt werden.
Wie immer gilt: Der Einzelfall entscheidet. Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit und die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr. Die Verantwortung liegt bei den Behandelnden. Der Text stellt die Position des Autors dar und nicht unbedingt die etablierte Meinung und/oder Meinung von dasFOAM.
Artikel aktualisiert mit kleinen Änderungen am 18.05.2019, u.a. wegen neuer Studienlage.
Weiterführende Quellen:
https://emergencymedicinecases.com/traumatic-cardiac-arrest/
https://phemcast.co.uk/2018/04/16/episode-28-lost/
https://emottawablog.com/2018/04/management-controversies-in-traumatic-cardiac-arrest/
https://theresusroom.co.uk/traumatic-arrest/
Bildquellen:
Alle Bilder, sofern nicht anders angegeben, privat oder CC0.

Print Friendly, PDF & Email

25 Kommentare

  1. Im Kleingedruckten finden sich viele Wahrheiten. Die „Kernaussagen“ führen jedoch ins Irre und sind lebensgefährlich falsch?
    Eine HDM zu unterlassen nur weil eine TD lebensrettend sein kann ist fahrlässig und schädigt den Patienten. Woher hat der Autor die Weissheit, dass eine TD und HDM nicht gleichzeitig möglich sind ? Habe dies selbst schon mehrfach praktiziert und damit sicher Leben und Hirnzellen gleichermaßen gerettet.

    1. Danke für den Kommentar. Wenn eine Thoraxdrainage ‚lebensrettend‘ ist, war die Ursache für den TCR wahrscheinlich ein Spannungspneu. Eine HDM erzeugt in diesem Setting weder guten Auswurf, noch beschleunigt sie die ‚lebensrettende‘ Intervention, weshalb sie auch laut Leitlinie depriorisiert ist.

    2. Dem ich eigentlich nichts hinzuzufügen; davon ab, das die Leitlinien bis auf’s äusserte Strapaziert werden in der Auslegung – nirgendwo wird der Verzicht auf eine ALS/CPR in der Initialphase gefordert, sondern lediglich höhere Priorität auf die Behandlung reversibler Ursachen -, sind einig Einlassungen wirklich Terminologischer oder Medizinscher nonsens: Die PEA mit Puls, oder auch das Beispiel wo jemand im Schockraum gerettet werden soll, weil man sofort die HDM unterbricht und richtige Maßnahmen durchführt. Im ernst: Wenn der noch gerettet werden kann, dann durch die HDM, welche einen einen evtl. noch vorhandenen, minimalen Spontankreislauf augmentiert. Abseits dann man „draussen“ sicher hätte invasiver werden müssen zur Untermauerung der generellen Sinnlosigkeit der HDM heranzuziehen, ist schon, vorsichtig gesagt, kühn. Ich halte dieses Artikel für Lebensgefährlich oder alternativ sinnfrei. Und das möchte ich wie folgt begründen: Entweder man glaub es und differenziert nicht; man glaubt, das man beim Trauma erstmal den Thorax öffnen muss, und unterlässt die HDM und weiss im Zweifel nicht, was man tut oder verkennt gar einen eine kardinale Ursache VOR dem Trauma und bringt den Patienten damit um. Oder man ist in der Lage selbst ein differenziertes Vorgehen an den Tag zu legen, und bildet sich aus validen Quellen wie Vorträgen ausgewiesener Experten und Leitlinien fort. Dann braucht man solche Artikel aber nicht.

      1. Da hat jemand den artikel wohl nicht verstanden. Ich lege Ihnen nahe, den Text noch einmal unvoreingenommen zu lesen und sich dabei nicht angegriffen zu fühlen.

      2. Naja. Ich sag mal so: Der Artikel ist für jemanden, der unter Trauma-CRP Bedienungen Patienten schon einmal beidseitig thorakotomiert hatte, sicherlich nicht angreifend; er ist ehr besorgt, das auch nur ein geringer Teil so gemeint sein könnte, wie es da steht. Ein Fazit ist z.B. etwas, was ungeachtet etwaiger rhetorische Stilmittel auf dem Boden einer gewissen Evidenz stehen sollte. Mag kann sich immer über andere Menschen erheben; nur wenn man es tut, sollte man in seinen Leben auch als verantwortliche Person in ähnlichen Situationen richtig entschieden haben. Aber das ist nur meine persönliche Meinung, die aus einer Anonymität sicherlich leicht zu vertreten ist,.

      3. Wenn das so ist, haben Sie sicherlich mehr Erfahrung und expertise als ich. Nur verstehe ich ihr argumentieren nicht. Für mich basieren die „Kernaussagen“ auf den Leitlinien, wonach die hdm nicht die Ursachenbehebung verzögern darf. Der Autor legt dar, dass hdm aber grundsätzlich damit interferiert, und das ist mir schlüssig – selbst wenn man mehrere Ärzte zur Verfügung hat, hat man nur begrenzt Platz um den Pat. Herum. Einer rechts und einer links für TD, einer am Kopf für Airway, einer unten für die Beckenschlinge, einer am Arm für nen Zugang, und das alles möglichst gleichzeitig. Da bleibt kein Platz mehr für HDM, und somit verzögert die HDM, wenn sie durchgeführt ist, wichtige Interventionen. Das verstehe ich unter „initiales Management“.
        Als ‚ausgewiesenen Experten‘ würde ich Hinds verstehen (siehe Video unten), und auch die Ressourcen unter den ‚Weiterführenden Quellen‘ am Ende des Artikels, die die Aussagen dieses Artikels unterstützen

      4. Ja, genau das sagen die Leitlinien. Es darf die Beseitigung der Ursache nicht verzögert werden. HDM schaff Zeit dafür; beim kardialer Ursache mehr, bei traumatischer Ursache weniger bis keine Zeit. Bei „kombinierter“ Ursache – Trauma, mittlerer und nicht letaler Blutverlust, jedoch bei KHK im Schock dann Stillstand – irgendwo was dazwischen.
        Ne clamshell ist sicherlich unter HDM nicht möglich; setzt aber enorme praktische Erfahrungen voraus, und wir ansonsten mit „gefährdet das Team“ nicht empfohlenen. Eine traumerische Herzbeuteltampnade wird man fast nie durch eine singuläre Maßnahme retten. Alles andere – und das ist im wesentlichen beidseitig Öffnungen in den Thorax sowie Blutung stoppen und Volumengabe – vielleicht schon. Passiert täglich in einem Schockraum und sicherlich auch in der Präklinik.
        Vielleicht ist bei der einen oder anderen Maßnahme mal ein paar Sekunden mehr noflow nötig. Das heißt depriorisierung der HDM. Gar nicht drücken, denn das hat da nix Hinsichten – und das ist das ausgeschrieben Fazit – ist falsch; nein, es ist Lebensgefährlich. Da kann man noch so tolle Diagramme basteln.
        Die Gefahr solcher Artikel ist, das es irgendwo ein jung dynamischer Retter wirklich glaubt, und nicht differenziert; und vielleicht als Notarzt oder NotSan auf die Lebens- und Berufserfahrenen Rettungsassistenten nicht hört der sagt, das man jetzt ne Minute erstmal drückt, einen Eindruck verschafft und dann schnell die Ursache angeht. Eben das ist nicht immer Trivial; noch weniger Leitlinienkonform sind Beispiele, eine laufende CRP/HDM im Schockraum für invasive Maßnahmen unterbrochen wird. Denn es sind mehr als 10 Minuten vergangen sein.
        Die ERC sagt: „Thoraxkompressionen sollen die Behandlung der reversiblen Ursachen nicht verzögern. Kreislaufstillstände nicht traumatischer Ursache, die sekundär zu einem Trauma geführt haben, müssen erkannt und nach Standardalgorithmen behandelt werden.“.
        Und da ist eben nicht: „Thoraxkompressionen haben im initialen Management des traumatischen Kreislaufstillstands nichts zu suchen“.

  2. Schöner Beitrag! Vielen Dank!
    Dazu eine kleine Kasuistik aus HH. Hier kam es vor einigen Jahren zu einer Messerstichverletzung auf Herzhöhe bei einem 13-jährigen. Der Pat. war initial noch ansprechbar, trübte dann allerdings ein und wurde im Verlauf Reanimationspflichtig. Er wurde unter laufender HDM mit V.a. Herzbeuteltamponade ins KH transportiert. Zwischenzeitlich hat sich immer mal wieder ein Kreislauf eingestellt. Bedingt wohl durch die HDM an sich. Die Theorie dazu in der Einsatznachbereitung war, dass die Tamponade durch die Penetration der Herzwand regelmäßig „leer gedrückt“ werden konnte. Im Verlauf füllte sich der Herzbeutel wieder und es kam zum erneuten HKS. Der Patient hat dank des Teams und einer zügigen operativen Behandlung überlebt.
    Wie gute oder schlecht die Theorie ist, kann ich nicht beurteilen. In jedem Falle aber sollte man die o.g. Aussagen nochmals in Bezug auf penetrierende Verletzungen des Herzens überdenken bzw. Forschung dazu anstellen.

  3. Ich habe mehrfach gelacht. Besonders gefallen mir die Tabellen und Kuchendiagramme. Mir gefällt der konfrontative Stil sehr gut und manchmal ist es nur so verständlich. #fan

  4. In der Theorie klingt das gut. Problem stellt sich in der Praxis. Sieht irgendjemand einen dabei zu, wie ein Patient mit Kreislaufstillstand nicht sofort kardiopulmonal reanimiert wird, wird das mit der Rechtfertigung, entgegen aller aktuellen Leitlinien und Meinungen der Fachgesellschaften, sehr schwierig.

    1. Ja, das ist richtig. Aber dafür haben wir Leitlinien, um uns dran daran halten. Wer das tut, wird auch kein Problem haben; ebenso nicht, wer mit guten Gründen davon abweicht.

      Man soll jedoch nicht alles glaube, was im Internet steht.

      1. Ich freue mich über alle kritischen Kommentare, jeder Artikel lebt von einer regen Diskussion. Leider glaube ich aber, dass hier mindestens zwei Missverständnisse herrschen:
        1. Mit initialem Management ist der kurze Zeitraum am Anfang der Reanimation eines Trauma-Patienten durch Profis gemeint.
        2. Mit TCR ist die ‚Diagnose‘ traumatischer Kreislaufstillstand gemeint, und nicht die unklare Situation, als Vergleich: „Bei akutem MI sollte in’s Katheterlabor gefahren werden“ vs „Bei Brustschmerzen sollte der Patient in’s Katheterlabor“.
        Wie im Artikel ausführlich in „tollen Diagrammen“ dargelegt, verhindert die Herzdruckmassage in der initialen Phase des TCR eine schnelle und effektive Behebung der reversiblen Ursachen. Und Thomas, bei der Trauma-Rea „erstmal ne Minute zu drücken“ ist fahrlässig und entspricht beim echten TCR einer Minute no-flow time, damit ist man vielleicht SOP-mäßig auf der sicheren Seite, aber mir persönlich ist da der Patient wichtiger.

      2. Gerne möchte ich mich juwo anschließen und hierzu auch noch ein paar Worte verlieren, da ich beim Lesen mancher Kommentare ebenfalls den Eindruck gewinne, dass es hier zu dem einen oder anderen Mißverständnis gekommen ist:
        – Es geht in diesem Artikel ganz klar um den traumatischen Kreislaufstillstand, sprich Trauma => Kreislaufstillstand und nicht um den Kreislaufstillstand, der zum Trauma führt, also nicht Kreislaufstillstand => Trauma.
        – Wie in den vorhandenen Leitlinien (ERC: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs10049-015-0096-7.pdf ab Seite 849 und in der S3-Polytraumaleitlinie https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/012-019l_S3_Polytrauma_Schwerverletzten-Behandlung_2017-08.pdf ab Seite 250) schön und deutlich formuliert und meines Erachtens auch in dem vorliegenden Artikel klar angesprochen (für den einen oder anderen vielleicht in etwas zu pointierter Form), handelt es sich hierbei um eine Sonderform des Kreislaufstillstandes, der eine andere Herangehensweise benötigt und somit ein Abweichen vom sonst gültigen und allseits bekannten Algorithmus rechtfertigt und fordert.
        – Die schnelle Therapie der potentiell reversiblen Ursachen hat in diesem besonderen Fall einen höheren Stellenwert als die Durchführung der Thoraxkompressionen.
        – Beherzige ich das Therapieregime und therapiere eine Hypoxie, mgl. Spannungspneumothoraces, die Blutung und ggf. die Perikardtamponade so schnell wie möglich in den ersten Minuten und lasse mich nicht durch Thoraxkompressionen behindern, so handele ich nicht wider der vorhandenen Leitlinien, sondern gerade im Sinne dieser.
        – Der Stellenwert der Behandlung der potentiell reversiblen Ursachen wurde schön hier nochmal aufgearbeitet: https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00101-017-0383-4 u.a. nachzulesen bei den Kollegen von News-Papers http://news-papers.eu/vermeidbare-trauma-assoziierte-todesfaelle

  5. Hallo!
    Danke für den schönen Beitrag.
    Allerdings eine Anmerkungen: Das Transfusionsverhältnis von 1:1:1 ist auf das Deutsche System aus der englisch-sprachigen Literatur so nicht zu übertragen, da die Blutprodukte unterschiedliche Größen haben. Bei uns entspricht das einem Verhältnis von EK : FFP : TK von 4:4:1.
    Sonst würde auch die größte Blutbank sehr schnell in die Knie gehen was den TK-Verbrauch angeht.

  6. Mehrfach wurde ich durch ihren Beitrag zum Nachdenken und Schmunzeln angeregt. Dies gelingt in fachbezogener Literatur nur wenigen. Daher möchte ich mich in erster Linie für Ihren tollen, konfrontativen Schreibstil bedanken. Für mich, als Notfallsanitäter bei der Bundeswehr, ein sehr aufschlussreicher Artikel, da es genau in mein Tätigkeitsprofil passt.

    In Ihrem Beitrag wird mehrfach die präklinische Thorakotomie angeführt, wobei ich mir grundsätzlich allerdings die Frage stellen muss über welche Qualifikation der Präklinik wir uns dabei unterhalten? Wäre eine solche Maßnahme oder eine einfache, vergleichbare Maßnahme einem Notfallsanitäter tatsächlich anzuvertrauen?

    Im Rettungsdienst gibt es zwei Aussagen, die den Fortschritt und damit auch Überlebenschancen des Patienten behindern: „Haben wir schon immer so gemacht“ und „Haben wir noch nie so gemacht“. Natürlich ist es keine Ausrede sich mit dem standardisiertem Reanimationsalgorithmus aufzuhalten und stattdessen erfolgsorientiert und evidenzbasiert zu arbeiten, aber auch hier kann der genaue Blick in die Rechtsfolgen von Notfallsanitätern nicht außer Acht gelassen werden. Denn gearbeitet wird nach dem Pyramidenprozess und dem freigegebenen Algorithmus des ärztlichen Leiters. Jeder Handgriff außerhalb dieser freigegebenen Maßnahmen führt zur eigenverantwortlichen Tätigkeit im Rahmen des Rechtfertigenden Notstandes.

    Änderungen in der Arbeitsweise werden daher wohl nicht großflächig zu erwarten sein.

  7. Gut gebrüllt Tiger.
    Aus meiner Sicht allerdings für jemanden, der laut eigenen Angaben noch in der Arztschule steckt und daher wahrscheinlich mindestens 2/3 der o.g. Maßnahmen noch nie am akut instabilen Menschen durchgeführt hat (v.a. gleichzeitig) mindestens mit zwei Schuhgrößen zu großspurig geschrieben.
    Gerade präklinisch kann man zT schon froh sein, wenn einem die Thoraxdrainagenanlage wenigstens richtig assistiert wird. Dies ist keine Entschuldigung für falsches Vorgehen, aber der Artikel sollte somit mehr auf die Frage hinauslaufen: wie können wir das Vorgehen verbessern? und nicht: hör auf zu drücken und reiss den Thorax auf. Das die Drainageanlage oder zumindest Mini-Thorakotomie dann gleichzeitig bilateral durchgeführt wird, während sich ein weiterer Notfallretter mit dem vermeintlich schwierigen Atemweg auseinandersetzt (und evtl. noch einer die Arterie punktiert um eine Re-BOA einzuführen ;-)) ist bei heutigem Ausbildungsstand der gesamten deutschen präklinischen Notfallmedizinerriege utopisch gedacht.
    Die Hinweise sind durchaus richtig. Dies steht allerdings so auch in den LL 2015 beschrieben. Wer also durch diesen Artikel hier neues Wissen erlangt hat, sollte vielleicht doch nochmal die Basis des ACLS (LL 2015) aufarbeiten. Evtl. kam von dort auch der Übertragungsfehler mit der ursprünglichen Empfehlung der 1:1:1 Transfusion…..
    Gefährlich finde ich leider auch wie einer der Vorkommentatoren, dass sich einige Leser nun dazu hinreissen lassen könnten die Thoraxkompression zu vernachlässigen- gar bis zum Eintreffen adäquat ausgebildeten Personals zu unterlassen.
    Nächster Artikel weniger laut und evtl. etwas mehr taktisch-fachlich mit einer anderen Fragestellung. Dann wäre es passend!

  8. Abseits aller Kontroversen…
    wie erkenne ich einen TCA?
    OK Messer im Thorax klar.
    Sturz aus großer Höhe, naja vielleicht auch klar. Dennoch, sag mir die Wahrscheinlichkeit, dass der (rauchende) 55 j Bauarbeiter nicht doch zunächst Kammerflimmern hatte. Und lasse ich dann das Drücken erstmal sein… oder gehe ich ab 3 m oder doch 5 m von einem adäquaten Trauma aus….
    Autounfall gegen Baum, ist das ein Unfall mit Trauma sekundär nach „internistisch-neurologischer“ Ursache? Da tue ich mir dann ganz schwer.
    Und die Fälle „dazwischen“?
    Ich finde auf jeden Fall nirgendwo eine adäquate Definition, was überhaupt vom Mechanismus her ein TCA ist, dass weiss dann erst der Pathologe, oder mit viel Glück dann doch der Notarzt/Traumazentrum.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.