POCUSBerlin – ein etwas anderer Ultraschall-Workshop

POCUS Berlin fand am letzten Januar-Wochenende diesen Jahresstatt, und es war ernsthaft unglaublich (keine Untertreibung)! Dieses einzigartige Ereignis war die Idee von Aidan Baron (@Aidan_Baron), Rebecca Lehmann (@rebechaxx), Robert Buder (@educate_YS) und Aurelia Hübner (@a_hueb). Die Veranstaltung wurde nur und sehr kurzfristig in den sozialen Medien beworben und war bei dem sensationellen Preis (50-80 Euro) innerhalb weniger Tage ausverkauft.


Dieser Beitrag enthält einige der wichtigsten Lernbotschaften des Wochenendes mit Highlights von Cian McDermott (POCUSIreland.org) und Felix Lorang (dasFOAM.org). Er wird simultan auf beiden Blogs veröffentlicht. Verfolgt das Wochenende auch einfach auf Twitter noch mal retrospektiv mit @BerlinPOCUS und unter dem hashtag #POCUSBerlin.
Das Organisationsteam hat POCUS-Pädagogen aus der ganzen Welt (USA, Niederlande, Slowenien, Deutschland, Polen und Irland) eingeladen, um 70 engagierten Teilnehmenden aus ganz Europa mit unterschiedlichem Hintergrund Ultraschall zu beizubringen: Rettungsdienstmitarbeiter, Pflegekräfte, junge Ärzte und Medizinstudierende sowie einige Fach- und Oberärzte – die gemeinsame Verbindung all dieser unterschiedlichen Menschen war der Wunsch, Point-of-care-Ultraschall zu lernen!
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Einige der Organisatoren waren 2017 für das Smaccjunior-Team von DasSMACC tätig und ließen es sich nicht nehmen, eine Erinnerung an diese Konferenz einzubauen:

Tag 1

Der Samstag begann mit einem Lungen-Ultraschallvortrag von Florian Recker. Florian ist einer der Autoren des demnächst erscheinenden Buches „POCUS Basics“. Er erklärte das Konzept, dass Ultraschall gerade dann verwendet werden kann, wenn man Teile des Körpers untersuchen möchte, die traditionell als gar nicht geeignet für Ultraschall betrachtet wurden.
Wenn wir in einem Bereich auf einmal Dinge oder Muster sehen, die man dort vorher nicht sah (weil Knochen oder Luft nicht zu schallen sind), kann man sehr gut zwischen pathologischen und gesunden Bereichen unterscheiden. Ein perfektes Beispiel dafür ist die Tatsache, dass B-Linien, Atelektasen und Anzeichen einer Lungenentzündung beim Lungenultraschall leicht und zuverlässig zu erkennen sind, gerade wenn man es mit der Sensitivität herkömmlicher Röntgenbilder vergleicht.
Als Nächstes folgten die Themen „Fluidothorax“ und die Beurteilung des rechten oberen Quadranten von Gregor Prosen. Gregor zeichnet sich besonders für sein kritisches Denken im Ultraschall aus, wir haben vermutlich alle – auch die Dozenten – ein oder zwei Dinge aus seinem Vortrag gelernt. Er erklärte, wie sich die FAST-Prüfung von der Suche nach vorhandenen Dingen (Suche nach freier Flüssigkeit) zu jetzt nicht mehr vorhandenen Dingen (Artefakte im Lungenschall) entwickelt hat. Hilfreich war die Hamburger-Analogie für das Beurteilen der koronaren Ebenen beim FAST-Scannen – es ist schon merkwürdig, wie sehr die Anatomie bei der Verwendung von Ultraschall auf einmal Sinn ergibt.


Als nächstes hielt Jenn Cotton, Notfallmedizinerin aus Utah, einen fantastischen Vortrag über Ultraschall des Beckens – und das Ganze barfuß! Jen erklärte plastisch häufige Fallstricke mit falsch positiven Befunden. Besonders beim männlichen Becken ist nämlich der waagrechte Schnitt entscheidend um innerhalb des Peritoneums zu bleiben. Außerdem sollte die Untersuchung unter die Gürtelllinie gehen, auch wenn sich das komisch anfühlt, um wirklich gute Bilder zu erhalten. Deswegen sollte man das Fächern/Fanning vermeiden – „fanning is for suckers“ – um sicherzustellen, dass wir nach Flüssigkeit suchen, wo wir sie auch erwarten würden: intraperitoneal.


Eine der wichtigsten Botschaften im Vortrag von Felix Lorang – und im Ultraschall generell – ist, dass das Gerät selbst kein Gehirn hat, aber zum Glück haben wir als Untersucher ja eines. Wir müssen Experten auf unserem Gebiet sein, das ist besonders wichtig für Ultraschall-Anfänger.


Auch muss jede Pathologie in verschiedenen Ansichten und Schnitten überprüft werden, da eine falsche Schnitteinstellung schon dazu führen kann, dass wir Dinge sehen, die gar nicht da sind. Typisches Beispiel ist das D-Sign, das sich alleine durch eine falsche Einstellung des Bildes auch bei Gesunden provozieren lässt.


Neben den gerade beschriebenen wenigen Problembereichen, die wir mit Ausbildung und klinischem Kontext gut einordnen können, ist einer der Hauptvorteile von POCUS die Verfügbarkeit für alle akut kranken Patienten – vor allem die, die die verschiedenen Fachrichtungen niemals zeitnah anschauen würden.


Creagh Boulger aus den USA ist ein Ereignis und eine absolute Sensation als Vortragende. Während sie quasi im Vorbeigehen die grundlegenden Prinzipien des Herz-Ultraschalls wiederholte und vertiefte, erweiterte sie unseren Blickwinkel auf einige leicht übersehene, aber hilfreiche Untersuchungsgänge:  So ist die Aorta descendens ein leicht erkennbarer Orientierungspunkt, der das rechte und linke Herz definiert (die Aorta ist immer am linken Herz/Vorhof) und den Perikard- und Pleuraerguss unterscheidet (Erguss vor der Aorta descendens = Perikarderguss).


Der Tag wurde mit Aidan Baron und Renske Wiersema abgerundet, die ihre persönlichen Geschichten zum Ultraschall erzählten. Aidan als einer der Organisatoren hat relativ kurzfristig in Sydney mit dem Medizinstudium begonnen und konnte daher leider nicht persönlich vortragen. Aber man kann seinen aufgezeichneten Kurzvortrag darüber, wie er Ultraschall nutzt und warum er ihm so ans Herz gewachsen ist, anschauen, auch in Berlin wurde das Video eingespielt.

Tag 2

Cian McDermott begann am zweiten Tag mit den Vorträgen, und auch er in Socken. Scheint international ein Markenzeichen zu sein. Er ist natürlich eine absolute Legende und jeder seiner Top-Tipps für den Ultraschall gerade für Anfänger unbedingt hilfreich.

  • Handling des Schallkopfs: Nur mit der richtigen Haltung wird man erfolgreich zu sein. Eher nicht Typ „stinkende Socken“, eher „Lippenstift“, damit bekommt man die besten Ansichten, um dann auch fundierter klinische Entscheidungen zu treffen.
  • Ultraschall ist dynamisch – lasst den Patienten atmen, bewegt die Arme, dreht die Patientin, dann bekommt man die besten Bilder.
  • Harnstau und seine Einteilung kann man sich wie einen Baum vorstellen: Stumpf – Äste – kompletter Baum
  • Achtet auch auf andere Pathologien im Bauch: die Aorta, oder eine rupturierte Extrauteringravidtität.


Dominik Daszuta stellte in seiner Einleitung einen Zusammenhang mit Klempnern und dem legendären Polandball her, so dass er problemlos auf die zahlreichen Rohre des Körpers übergehen konnte: die Aorta und die Venen.  Die 2 – Punkt – Kompressionssonographie der Beine ist eine einfache und dennoch sichere Möglichkeit, eine klinisch relevante tiefe Beinvenenthrombose (zumindest für 7 Tage) auszuschließen. Die Aorta ist eines der Organe, die selten, aber dann eben sehr augeprägt betroffen sind. Can’t miss! Oder um mit Cliff Reid zu sprechen: „the aorta will f#§k you up!“
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Der sehr praktisch angelegte Workshop zur Erstellung von Phantomen und Simulation war ein echter Publikumshit – siehe Bilder. Eine ernste Botschaft dahinter ist, dass ein gesunder Spieltrieb  in der Ultraschallausbildung auch für erwachsene Lernende sehr wichtig ist. Auch das sorgt dafür, dass Botschaften hängen bleiben.

Die Hertz4Veins-Initiative ist eine Gruppe von Studenten und Fachleuten aus Freiburg / Deutschland, die sich ebenfalls darum kümmert, Mitinitiator Domagoj Damjanovic konnte leider nicht persönlich anwesend sein, hat seinen Vortrag zur ultraschallgestützten Anlage von i.v.-Zugängen jedoch online zur Verfügung gestellt.

Nach einigen Runden mit praktischer Übung war das Wochenende dann leider viel zu früh zu Ende. Mitnehmen konnten wir allerdings sehr viel, und auch jeder Dozent hat sehr, sehr viel dazu gelernt.

Unsere Take Home-Messages:

  • POCUS lernen macht Spaß! Und: Spieltrieb ist auch für erwachsene Lernende wichtig.
  • Tretet Twitter bei und schafft euer persönliches Lernnetzwerk
  • POCUS-Ressourcen auch für Anfänger findet ihr unten, ansonsten sucht euch jemanden in eurem Krankenhaus, der euch weiterhelfen kann
  • Besucht auch andere Kurse
  • Zitat eines Teilnehmers: Der Kurs ist zwar heute zu Ende, aber der Funke ist übergesprungen
  • Happy scannin’!


 
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