Artikel aktualisiert am 14.05.2020 um 9:50 Uhr: Der Link zum jetzt veröffentlichten Paper wurde unter “Fazit” hinzugefügt.
Bei der Versorgung von COVID-19 (Verdachts-)Fällen besteht ein hohes Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2. Dies betrifft insbesondere Maßnahmen wie die Intubation und die kardiopulmonale Reanimation (1–3). Leider zeigen Daten aus Italien beispielsweise, dass 9% der COVID-19 Fälle im März diesen Jahres Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens waren (4).
Um das Personal zu schützen, gab es jüngst erste Empfehlungen z.B. vom Resuscitation Council UK (5) zur Reanimation von COVID-19 Patienten, wie Luca in seinem Blogbeitrag ausführlich beschreibt. Man findet aktuell ein paar Vorschläge zum Umgang mit Aerosolbildung: Das Belassen einer Sauerstoffmaske auf dem Gesicht ohne Gasfluss; eine compression-only CPR, um bei der Intubation nicht kontaminiert zu werden; dem Patienten einen Mund-Nasen-Schutz aufziehen, …
Studiendesign
Wir wollten wissen, welche Methode die Ausbreitung von potentiell infektiösem Aerosol am meisten reduzieren und so unter Umständen uns alle in solch einer Situation schützen kann. Deshalb haben wir uns mit der „glow in the dark“ Methode beschäftigt. Für alle Hobby-Bastler*innen und Simulations-Fans: UV-Licht sensitives Desinfektionsmittel zu Schulungszwecken, ein Gemisch aus Chininsulfat und Essigsäure oder auch stinknormales Tonicwater bzw. Bitterlemon funktionieren gleichermaßen gut. Eine Bastelanleitung folgt übrigens weiter unten. Wir haben uns für das UV - Sensitive Desinfektionsmittel entschieden und es in einen Vernebler einer Verneblermaske gefüllt. Der Vernebler wird an den künstlichen Atemweg einer Reanimationspuppe angeschlossen, Licht aus und handelsübliche UV-Taschenlampe an!
Ergebnisse
Wie die Aufnahmen erkennen lassen, verbreitet sich das Aerosol bei der compression-only CPR sehr diffus. Wird dem Reanimationsdummy ein Mund-Nasen-Schutz oder eine Sauerstoffmaske (ohne Gasfluss) aufgesetzt, wird das Aerosol zur Stirn hin abgelenkt. Wird ein Larynxtubus eingelegt und geblockt, entsteht eine gebündelte, zum CPR-Anwender gerichtete Aerosolverbreitung. Wird ein Filter aufgesetzt, beginnt dieser zwar zu leuchten, jedoch kann kaum noch Aerosol nachgewiesen werden. Eindrücklich ist auch, wie das Aerosol bei der direkten Laryngoskopie den Helfer/die Helferin trifft.
Die beschriebenen Ergebnisse konnten wir so in einer weiteren Studie an Körperspendern validieren. Die Fotos halten wir aktuell aufgrund von Copyrights zurück.

Diskussion
Gemäß unseren Beobachtungen scheint ein Mund-Nasen-Schutz oder eine Sauerstoffmaske nur der zweitbeste Schutz von Helfern/Helferinnen zu sein. Eine endotracheale Intubation gilt als Hochrisikoprozedur und sollte nur durch Spezialisten mit maximaler Expertise unter entsprechenden Schutzmaßnahmen durchgeführt werden (2,3,5,6). Ein Aerosolschutz bei Beutel-Masken-Beatmung wäre nur gegeben, wenn die Maske durchgehend dicht am Gesicht anliegt und ein Filter zwischen Maske und Beutel angebracht ist (2). Eine während der gesamten Reanimationsdauer dicht sitzende Maske erscheint nach unserer Erfahrung unrealistisch, es bräuchte eine zusätzliche Person für die Durchführung eines doppelten C-Griffs. Die frühzeitige Anwendung eines korrekt angewendeten Larynxtubus mit konnektiertem Filter könnte die Aerosolverbreitung reduzieren und das Personal schützen.
Die Anwendung vor Beginn der Thoraxkompression wäre klar im Widerspruch zu geltenden Leitlinien (7), hätte aber vermutlich den größten Effekt im Sinne der Aerosolvermeidung. Hier sind wir auf die Stellungnahme der ILCOR gespannt, denen wir unsere Arbeit bereits übermittelt haben. Es erscheint vor allem bei gesichertem COVID-19 sinnvoll, denn in diesen Fällen ist das respiratorische Versagen bzw. die Hypoxie die häufigste reversible Ursache (8). Der Larynxtubus steht immer wieder im Mittelpunkt von kritischen Diskussionen zum Thema Atemwegssicherung beim Kreislaufstillstand. Zum out of hospital cardiac arrest (OHCA) wissen wir aber, dass er der endotrachealen Intubation zumindest nicht unterlegen ist (9,10). Zum Einsatz der Larynxmaske (LMA) können wir hier nur eine theoretische Diskussion anregen. Die Larynxmaske sitzt tiefer im Rachen vor der Glottis, wohingegen der Ballon des Larynxtubus den Rachen zu einem höheren Grad verschließt. Da sich der Virus u.a. in der Rachenschleimhaut repliziert, ist hier ein höher abschließendes Device vorzuziehen. Auf dieser sehr theoretischen Diskussion wäre für uns der Larynxtubus die erste Wahl, die Larynxmaske der zweiten Generation die beste Alternative bis zum Eintreffen des Intubationsteams zur Sicherung des Atemweges mit Tubus. Sollte man sich für eine endotracheale Intubation z.B. mit einem Videolaryngoskop entscheiden, könnte die vielfach erwähnte Plastikfolie einen Schutz bieten (siehe Abbildung 2).

Fazit
Sollte ein Patient im Herz-Kreislauf-Stillstand vorgefunden werden, könnte nach unseren Beobachtungen im Erstangriff der dicht sitzende Larynxtubus mit aufgesetztem Filter eine gute Alternative sein, um das Personal vor potenzieller Kontamination durch eine Aerosolverbreitung zu schützen. Die rasche Anwendung - im Zweifel sogar vor Beginn der Thoraxkompression - könnte sinnvoll sein, insbesondere um die reversible Ursache Hypoxie schnell zu therapieren. Die Coronavirus-Pandemie sollte nicht dazu führen, dass z.B. ein Patient mit Kammerflimmern schlechter behandelt wird. Andererseits steht der Eigenschutz des Personals an erster Stelle. Wie dieses Dilemma aufzulösen ist, können wir auch durch unsere Untersuchungen nicht final beantworten, dennoch möchten wir Anstoß für eine konstruktive Diskussion in der FOAM Welt geben. Stay tuned.
Hier findet ihr den Link zum Preprint der Studie auf Zenodo:
DOI: 10.5281/zenodo.3739498
Update:
Das Manuskript wurde in Resuscitation veröffentlicht und ist als journal pre-proof unter folgendem Link erreichbar.
Ott M, Milazzo A, Liebau S, Jaki C, Schilling T, Krohn A, Heymer J, Exploration of strategies to reduce aerosol-spread during chest compressions: A simulation and cadaver model, Resuscitation (2020),
doi: https://doi.org/10.1016/j.resuscitation.2020.05.012
Tausend Dank an das gesamte Team und den bombastischen Support: Johannes Heyer, Alexander Krohn, Christina Jaki, Prof. Schilling und Domagoj Damjanovic
Bauanleitung für die Aerosolsimulation
Wie bereits oben beschrieben haben wir zur Visualisierung des Aerosols die „glow in the dark“ Methode verwendet. UV-Licht sensitives Desinfektionsmittel zu Schulungszwecken kann man im Internet bestellen und leuchtet wunderbar. Wer schon mal auf einer Schwarzlichtparty war, hat vielleicht den leuchteten Gin Tonic in der Hand gehalten. Chininsulfat gibt es als homöopathisches Arzneimittel zu erwerben. Tipp unserer Hausapothekerin: Mit etwas Essigsäure beigemischt leuchtet es noch intensiver. Chininhydrochlorid funktioniert wohl nicht. Stinknormales Tonicwater oder Bitterlemon funktioniert gleichermaßen gut, allerdings kann man die Materialien danach schrubben oder wegwerfen. Zum Vernebeln haben wir den Aufsatz einer normalen Verneblermaske verwendet. Mit ein bis zwei UV Taschenlampen oder größeren Scheinwerfern aus der Disko ist die Aerosolsimulation schon geglückt. Wir haben einen difficult airway Trainer Kopf mit einem Thoraxdummy kombiniert. In den Dummy haben wir als artifiziellen Atemweg zwei Kinderbeatmungsbeutel gelegt und die Leitungen miteinander verbunden. Um eine gleichmäßige Kompression zu gewährleisten, haben wir eine Alu-Polsterschiene über die Beatmungsbeutel geformt. Wenn wie auf dem unteren Bild noch ein Beatmungsbeutel dazwischen geschalten wird, kann man zusätzlich einen Hustenstoß beim wachen Patienten simulieren. Das wars auch schon – viel Spaß beim Trainieren.


Literatur:
1. Zuo M-Z, Huang Y-G, Ma W-H, et al. Expert Recommendations for Tracheal Intubation in Critically ill Patients with Noval Coronavirus Disease 2019. cmsj. 2020. doi:10.24920/003724
2. Chun-Hei Cheung J, Tin Ho hab es i L, Vincent Cheng J, Yin Kwan Cham E, Ngai Lam K. Staff safety during emergency airway management for COVID-19 in Hong Kong. Lancet Respir. 2020. doi:10.1016/S2213-2600(20)30084-9
3. Alhazzani W, Møller MH, Arabi YM, et al. Surviving Sepsis Campaign: Guidelines on the Management of Critically Ill Adults with Coronavirus Disease 2019 (COVID-19). Crit Care Med. 2020;Online Fir. doi:10.1097/CCM.0000000000004363
4. Wu Z, McGoogan JM. Characteristics of and Important Lessons From the Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) Outbreak in China: Summary of a Report of 72 314 Cases From the Chinese Center for Disease Control and Prevention. JAMA. February 2020. doi:10.1001/jama.2020.2648
5. Resuscitation Council (UK). Guidance for the resuscitation of COVID-19 patients in hospital. 2020-03-19. https://www.resus.org.uk/_resources/assets/attachment/full/0/36100.pdf. Published 2020. Accessed March 19, 2020.
6. Kluge S, Janssens U, Welte T, Weber-Carstens S, Marx G, Karagiannidis C. Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19. Medizinische Klin - Intensivmed und Notfallmedizin. March 2020:7-9. doi:10.1007/s00063-020-00674-3
7. Soar J et al. Adult advanced life support . Resuscitation. 2015;95:100-147. doi:10.1016/j.resuscitation.2015.07.016
8. Ruan Q, Yang K, Wang W, Jiang L, Song J. Clinical predictors of mortality due to COVID-19 based on an analysis of data of 150 patients from Wuhan, China. Intensive Care Med. 2020. doi:10.1007/s00134-020-05991-x
9. Wang HE, Schmicker RH, Daya MR, et al. Effect of a strategy of initial laryngeal tube insertion vs endotracheal intubation on 72-hour survival in adults with out-of-hospital cardiac arrest a randomized clinical trial. JAMA - J Am Med Assoc. 2018;320(8):769-778. doi:10.1001/jama.2018.7044
10. Benger JR, Kirby K, Black S, et al. Effect of a strategy of a supraglottic airway device vs tracheal intubation during out-of-hospital cardiac arrest on functional outcome the AIRWAYS-2 randomized clinical trial. JAMA - J Am Med Assoc. 2018;320(8):779-791. doi:10.1001/jama.2018.11597
11. Ott, Matthias, Krohn, Alexander, Jaki, Christina, Schilling, Tobias, & Heymer, Johannes. (2020, April 3). CPR and COVID-19: Aerosol-spread during chest compressions. Zenodo. http://doi.org/10.5281/zenodo.3739498
Wie immer gilt: Der Einzelfall entscheidet. Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit und die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr. Die Verantwortung liegt bei den Behandelnden. Der Text stellt die Position des Autors dar und nicht unbedingt die etablierte Meinung und/oder Meinung von dasFOAM.
Über den Autor:
Matthias Ott (@matthiasopunkt)
Assistenzarzt aus dem Süden Deutschlands. Feiert alles rund um FOAM, POCUS, Reanimationszeugs und Spätzle <3