Dieser Beitrag richtet sich an alle Menschen, die (wie ich) noch am Anfang einer langen aber spannenden Reise durch die unendlich weite Welt des Ultraschalls stehen. Vielleicht bist du aber auch schon etwas fortgeschrittener und willst deine Basics auffrischen, oder bist sogar dazu bereit, hilfreiche Tipps beizusteuern? Dann bist du ebenfalls herzlich eingeladen weiterzulesen! Bist du (noch) skeptisch, ob der Einsatz von Ultraschall in der Akutmedizin/im Rettungsdienst wirklich sinnvoll ist? Vielleicht ändert sich ja deine Meinung während du das hier liest (oder auch nicht).
Das Internet ist voll von tollen Beiträgen, Lerninhalten und Apps zum Thema Point-of-Care-Ultrasound (kurz: „POCUS“). Hier soll ein Register für verschiedene Quellen von hoher Qualität entstehen. Hilf gerne dabei, die Sammlung zu vergrößern und „spread the FOAM!“. Wir laden dich außerdem dazu ein, mit uns von @dasFOAM auf Twitter/X zu diskutieren. Wir treffen uns unter dem Hashtag #POCUSliebe, um dort voneinander zu lernen.

Wer hätte es gedacht: ein Ultraschallbeitrag bei dasFOAM. Beginnen wir mit den Zielen der Notfallsonographie: POCUS hilft uns dabei Differentialdiagnosen einzugrenzen, reversible Ursachen zu erkennen, relevante Befunde in kurzer Zeit zu erheben und Therapien gezielt zu steuern. Ultraschall ermöglicht uns eine bildgebende Diagnostik, die bekanntermaßen ohne Strahlenschäden auskommt. Die einzig relevante, von den Untersuchenden unabhängige, Gefahr von POCUS ist die häufig kritisierte Zeitverzögerung, z.B. Verlängerung der Versorgungszeit oder der therapiefreien Intervalle. Wie bei anderen diagnostischen Verfahren besteht darüber hinaus die Gefahr einer Fehldiagnose durch die Untersuchenden. Unser Ziel sollte es also primär sein, unser Auge zu schulen, wiederkehrende Muster von relevanten Pathologien unterscheiden zu können und die richtigen Entscheidungen daraus abzuleiten. Der Anspruch an die Untersuchenden muss hierbei möglichst gering sein, denn es geht um das Wesentliche: die Indikation für POCUS erkennen, Schallfenster sicher auffinden, sowie auffällige Befunde schnell erfassen und kommunizieren können. Trotz allem spielt die Erfahrung eine Rolle, was auch die aktuellen ERC-Leitlinien 2021 betonen. Daher ist jede Minute mit Schallkopf in der Hand entscheidend. Richtig angewandt bietet POCUS uns als Behandelnden große diagnostische und somit zeitliche Vorteile und verbessert dadurch das Outcome unserer Patient*innen.
Einstieg
Ein paar einleitende Worte von Larry Istrail aus seinem empfehlenswerten Buch The POCUS Manifesto: „For over two centuries of medical history, there has been no more iconic image than the quintessential stethoscope donned confidently over a crisp white coat. […] our treatment options, imaging modalities, and surgical techniques have advanced exponentially while our physical exam […] remains largely unchanged. That is until clinicians began incorporating ultrasound into their patient examination. […] POCUS involves using a handheld ultrasound at the bedside to reduce uncertainty, narrow differentials and guide therapies.“
Für mich begann das Thema Ultraschall durch Twitter. Dort findet man zahlreiche FOAMed Quellen, die Input zu den unendlichen Anwendungsmöglichkeiten von POCUS teilen, progressiv denkende Vorbilder mit tragbaren Schallköpfen in der Hand, sowie konstruktive Diskussionen der Community und spannende Ultraschall-Rätsel. Im Kontrast dazu steht die Realität im Rettungsdienst: auch wenn immer mehr Rettungsdienstbetreiber mobile Ultraschallgeräte anschaffen, vielerorts sind sie bislang noch nicht zeitnah verfügbar (es sei denn der RTH bringt eines mit) oder sie werden nicht ausreichend eingesetzt bzw. der Umgang damit geschult. Laute Gegenstimmen sehen keinen größeren Bedarf für Ultraschall außerhalb der Klinik: „neumodischer Kram, Zeitverschwendung“. Ich erinnere mich an meine Anfangszeit im Rettungsdienst, da war selbst ein eigenes Stethoskop in der Tasche für manche Kolleg*innen schon „ärztliche Anmaßung“. Mein persönliches Lieblingsargument in der Diskussion über die Notwendigkeit zur flächendeckenden Vorhaltung von Ultraschall im Rettungsdienst, ist die enorme Verbesserung der Diagnostik und Therapie reversibler Ursachen im Rahmen der kardiopulmonalen Reanimation. Selbst während meiner Ausbildung zum Notfallsanitäter hieß es bei mindestens der Hälfte der abgearbeiteten H’s und HITS während des ALS Trainings: „Gibt keinen Hinweis darauf, können wir aber auch nicht ausschließen.“ Welche zahlreichen diagnostischen Möglichkeiten uns POCUS in diesem Kontext liefert, erklärt euch Felix in seinem legendären Beitrag bei NowToGo. Zudem ist beispielsweise die Untersuchung nach eFAST-Schema (nicht zu verwechseln mit BEFAST) aus der Schwerverletztenversorgung nicht mehr wegzudenken, aber später mehr dazu.
Lange Zeit habe ich überlegt, mir ein eigenes Handheld-Gerät zuzulegen. Jedes Ultraschall Lehrbuch, dass ich gelesen habe, empfiehlt bereits auf der ersten Seite einen Schallkopf zur Hand zu haben. Nach über zwei Jahren war es dann endlich soweit und ich konnte ein passendes Angebot wahrnehmen. Als ich den Karton öffnete, fühlte ich mich als wären Geburtstag und Weihnachten auf den selben Tag gefallen. Danach folgten Wochen des Ausprobierens. Kommilliton*innen, Familienmitglieder und selbstverständlich auch die eigenen Organe wurden bei jeder sich bietenden Gelegenheit geschallt. Artikel und Fachbücher brachten mich etwas weiter, jedoch nicht annähernd so weit wie Hands-on-Veranstaltungen in der Uni oder beim großartigen Witten POCUS (veranstaltet von der dortigen AG Sonographie). Vor allem dort lernte ich durch praxisnahe Impulsvorträge, viel Übungszeit und fitte Tutor*innen, wie man schnell zum gewünschten Bildausschnitt findet und dabei die wichtigsten klinischen Fragen beantwortet. Tino nannte z.B. im Rahmen der Echokardiographie nach FATE Algorithmus (Pocketcards gibts hier!) für jeden Schnitt immer die selben drei Fragen, an denen man sich orientieren kann: Siehst du grobe Wandbewegungsstörungen, gibt es Hinweise für einen Perikarderguss und wie sind die Größenverhältnisse der dargestellten Strukturen zueinander? Die Message soll an dieser Stelle sein: keep it fast and simple. Trotzdem gilt es ein paar wesentliche Grundregeln festzuhalten:
POCUS Grundregeln
- Ultraschall soll Spaß machen! (Jede Minute mit Schallkopf in der Hand ist eine gute Minute)
- Optimiere die Rahmenbedingungen wenn möglich (Patient*in und Material vorbereiten, Licht dimmen)
- Möglichst bequeme Position einnehmen. Am besten hat deine Hand dabei Kontakt zu einer Unterlage
- Die untersuchende Person befindet sich standardmäßig immer auf der rechten Seite der Patient*innen
- Beim Ultraschallgel scheiden sich die Geister: Zu viel Gel ist aber auf jeden Fall besser als zu wenig!
- Kenne dein Gerät mit seinen Presets, behandle es gut und sorg dafür, dass es stets gut desinfiziert ist
- Kombiniere verschiedene Schallkopf-Bewegungen nie zeitgleich. Antizipiere was du verändern willst
- Tiefe (Depth): Die Schallkopf-fernste Struktur, die du sehen willst, bildet die Grenze zum letzten Drittel
- Gain (Brightness; Helligkeit): Guter Kontrast zwischen den Strukturen. Echoarme Strukturen = schwarz
- Lass dir von den Patient*innen helfen: Achte auf Atemkommandos, Positionierung (Arm hinter Kopf etc.)
- Achte auf die Zeit! Beauftrage bei Bedarf jemanden aus dem Team damit, dich darauf hinzuweisen
- Freeze: Speichere relevante Aufnahmen als Bilder oder Videos (Loops) um sie dir in Ruhe anzuschauen
- Denk an die Physik: In Rückenlage steigt freie Luft nach ventral auf, freie Flüssigkeit sinkt nach dorsal ab
Wenn dir eine wichtige Regel fehlt, oder du auf etwas hinweisen möchtest, teile gerne deine Ideen mit uns!
Indikationen
Bevor wir zum „Wie“ kommen, sollten wir erstmal das „Warum“ klären. POCUS kann im Rettungsdienst verwendet werden, um verschiedenste klinische Fragen zu klären. Die relevantesten Arbeitsdiagnosen, bei denen POCUS verwendet wird, sind sicherlich: Unklarer Thoraxschmerz, akute oder progrediente Dyspnoe, abdominelle Beschwerden, undifferenzierter Schock, relevantes Trauma (v.a. den Torso betreffend) und Reanimation. Weitere Anwendungsmöglichkeiten von POCUS werden unter „Sonstiges“ zusammengefasst. Zum Beispiel kann Ultraschall bei der Anlage von peripheren Venenkathetern eine ungewollte (und nebenbei evidenzarme) Akupunkturbehandlung vermeiden. Die aufgeführten Punkte sind dabei nur die gängigsten Anwendungsgebiete für POCUS in der Akutmedizin. Im Folgenden werden die Indikationen inkl. dazugehöriger Untersuchungsprotokolle detaillierter aufgeführt. Die Kolleg*innen von Nerdfallmedizin haben zum selben Thema bereits eine Zusammenfassung erstellt. Zum Zwecke der besseren Übersichtlichkeit wird nachfolgend jeder Untersuchungspunkt nur einmal genannt (auch wenn z.B. die Pneumothoraxdiagnostik bei mehreren der erwähnten Arbeitsdiagnosen indiziert ist). Achte auf hinterlegte Links (der Textabschnitt wird ausgegraut, wenn du mit dem Mauszeiger darüber fährst) und gib Bescheid, wenn dir noch etwas Ergänzendes einfällt!
UNKLARER THORAXSCHMERZ
Notfallechokardiographie (FATE): Wandbewegungsstörungen, eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion, Perikarderguss, akute Rechtsherzbelastungszeichen (LAE),
Klappenvitien, Hypertrophien
AKUTE / PROGREDIENTE DYSPNOE
ABDOMINELLE BESCHWERDEN
Abdomensonographie:
Cholezystitis, Gallenkolik, Harnstau
Darmsonographie: Obstruktion, Appendizitis, Bauchaortenaneurysma/-dissektion
Hohlorganperforation (freie Luft)
UNDIFFERENZIERTER SCHOCK
RUSH - Protokoll:
The pump (Herz)
FATE (s.o.)
The pipes (Gefäße)
IVC: Hypovolämie bzw. Rückstau
Aortenaneurysma/-dissektion
The tank (Torso)
eFAST
RELEVANTES TRAUMA
Fraktursonographie (z.B. Rippe; Klavikula)
eFAST - Untersuchung:
Subxiphoidaler Vier-Kammer-Blick
Rechter oberer Quadrant (RUQ)
Linker oberer Quadrant (LUQ)
Suprapubische Schnitte
Bilaterale Interkostalschnitte
REANIMATION
Pulscheck
Tubuslagekontrolle
Detektion von Kammerflimmern
Reversible Ursachen (FEEL)
(z.B. Perikardtamponade)
TCA

BENEFITS
Nach dieser ausführlichen Liste von Indikationen in der Akutmedizin, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit stellt, klären wir nun die Frage nach der Evidenz bzw. den Vorteilen von POCUS. Einige argumentieren z.B. dass eine Ultraschalluntersuchung im Rettungsdienst keinen Benefit bringt, da man ja so oder so ins Krankenhaus fährt. Im Konsensuspapier mit „Empfehlungen zur Sonografieausbildung in der prähospitalen Notfallmedizin“ von DGINA, DGAI, BAND, BV-ÄLRD, DGU, DIVI und DGIIN wird der Beitrag von POCUS zu einer schnelleren sowie gezielteren Therapie und Klinikzuweisung der Patient*innen besonders hervorgehoben. Im Zuge dessen wird von den Fachgesellschaften eine Vorhaltung von portablen Ultraschallgeräten auf arztbesetzten (?) Rettungsmitteln und ein entsprechendes Ausbildungskonzept (pPOCUS) empfohlen. Dieses Review im Kontext eines kanadischen HEMS zeigt, dass Ultraschall notwendige Interventionen bei internistischen und Traumapatient*innen sinnvoll unterstützt (egal ob durch ärztliches Personal oder nicht). In den ERC Leitlinien 2021 wird die Bedeutung von Ultraschall sowohl in Peri-arrest Situationen als auch während der kardiopulmonalen Reanimation (FEEL) betont. Lest in diesem JEMS-Artikel nach, wie ausschließlich mittels POCUS eine Pseudo-PEA von einer echten PEA unterschieden werden kann und wie Ultraschall unser ROSC Management, die Prognosestellung und die Identifikation reversibler Ursachen verbessert. In einer prospektiven, multizentrischen Studie aus Neuseeland und Australien waren 89% der Ultraschall-untersuchungen in Emergency Departments klinisch indiziert, in 43% der Fälle wurden Pathologien festgestellt. In 36% der Fälle änderte sich durch POCUS die zuvor angenommene Verdachtsdiagnose. Die aktuelle Ausgabe der S3-Polytrauma-Leitlinie empfiehlt eine eFAST Untersuchung bei Thoraxtrauma und abdominellem Trauma (im Rettungsdienst insbesondere bei V.a. Pneu- bzw. Hämatothorax). Lungenultraschall schafft einen relevanten Zeitvorteil und diagnostische Überlegenheit gegenüber Röntgen-Thorax zur Detektion eines Pneumothorax oder Lungenödems. Nebenbei kann so auch die Strahlenbelastung reduziert werden.
SchallKopfführung
Vor allem im Rahmen von Schulungssituationen ist die eindeutige Kommunikation der auszuführenden Schallkopfbewegung entscheidend. Je nach Quelle bzw. Literatur unterscheiden sich die Bezeichnungen für die Bewegungsrichtungen bei der Führung des Ultraschallkopfs. Daher sind im Folgenden jeweils mehrere Synonyme genannt:
- Tilt/Fan: Schwenken / Fächern / Kippen
- Rock: Angulieren / Wippen
- Rotate: Drehen (in andere Achse / Ebene)
- Sweep: Verschieben entlang der langen Achse
Slide: Verschieben entlang der kurzen Achse
Außerdem kann der Anpressdruck (Pressure) variiert werden, z.B. um störende Luft im Darm aus dem Bild zu entfernen, zur leichteren Unterscheidung von Gefäßen (Vene oder Arterie) oder zur Diagnostik (Druckdolenz, Ausschluss einer Thrombose etc.)

Sondentypen und BildBetrachtung
Im Bild oben sind zwei unterschiedliche Sondentypen in einem Gerät integriert (Konvexschallkopf oben; Linearschallkopf unten). Der dritte wichtige Vertreter ist der Sektorschallkopf (auch: Echoschallkopf, da meist für die Echokardiographie genutzt). Am Beispiel eines Stilllebens sind die drei resultierenden Bildausschnitte dargestellt. Konvex- und Sektorschallkopf arbeiten in niedrigeren Frequenzbereichen und erreichen mit ihrem Schallkegel eine höhere Eindringtiefe. Der Linearschallkopf erzeugt durch in Reihe angeordnete Piezokristalle, ein rechteckiges Bild und zeichnet sich durch eine hohe Auflösung schallkopfnaher Strukturen aus. Man kann erkennen, dass der Linearschallkopf zur Darstellung der Zitrone nicht gut geeignet ist. Durch seine breite, gerade Auflagefläche lassen sich aber die beiden Sonnenblumen links wunderbar nebeneinander darstellen und man könnte eine Kanüle zwischen ihnen hindurch navigieren. Der Sektorschallkopf wird gerne genutzt um zwischen den Rippen hindurchzuschallen, z.B. ist zwischen Lunge und Sternum im (links-)parasternalen Fenster teilweise nur ein briefmarkengroßer Zugang möglich, wofür sich die kleine Auflagefläche super eignet.



Ultraschall schneidet dreidimensionale Körper (z.B. eine Zitrone) in feine Scheibchen und stellt sie zweidimensional dar. Um durch strukturierte Bildbetrachtung (hallo Kunstunterricht) zu einer fachlich adäquaten Beschreibung zu gelangen, müssen sowohl Terminologie als auch die Orientierung im Bild einheitlich sein. Bei der sagittalen Ausrichtung zeigt die Schallkopfmarkierung in Richtung Kopf der untersuchten Person (bzw. in Richtung Zitronenstiel). Dadurch befinden sich links im Bild die kranialen und rechts im Bild die kaudalen Strukturen. Bei der transversalen Ausrichtung zeigt die Schallkopfmarkierung Richtung Untersucher*in und die gewohnte Zuordnung links und rechts bleibt bestehen. Zu beachten ist dabei, dass der dargestellte Querschnitt (wie bei anderen radiologischen Untersuchungsmethoden auch) definitionsgemäß von kaudal betrachtet wird und sich somit „patientenrechts“ auf der linken Seite des Bildes befindet und umgekehrt. In beiden Darstellungsebenen (sagittal / transversal bzw. lange Achse: LAX / kurze Achse: SAX) werden oben abgebildete Strukturen als schallkopfnah und unten abgebildete Strukturen als schallkopffern bezeichnet. Bei Untersuchungen des Torsos spricht man auch von ventral (Richtung Bauchdecke) und dorsal (Richtung Rücken) gelegen. Im klassischen B-Bild bzw. B-Mode („B“ für „Brightness“) werden unterschiedliche Graustufen dargestellt. Helle Strukturen werden als echoreich, schwarze Strukturen als echofrei und alles dazwischen als echoarm bezeichnet. Die jeweiligen Graustufen im Ultraschallbild sind das Resultat verschiedener Gewebearten, die den Schall unterschiedlich stark reflektieren. Besondere Relevanz haben hierbei Grenzflächen zwischen zwei Medien: je nach Dichte weisen diese einen Impedanzunterschied auf, wodurch ein Teil der Schallwellen reflektiert wird. Zwischen Luft und Wasser ist der Impedanzsprung so hoch, dass es zu einer Totalreflexion kommt. Falls du zu physikalischen Grundlagen der Ultraschalluntersuchung noch etwas weiterlesen möchtest, klicke einfach hier.
In Abbildung 6 sehen wir einen Interkostalschnitt mit einem Linearschallkopf. Der hellblaue Punkt oben links im Bild (in der mobilen Ansicht formatbedingt abgeschnitten) zeigt uns die Position der Schallkopfmarkierung an. Wir betrachten also einen Sagittalschnitt (links = kranial) zwischen zwei Rippen hindurch (sichtbar als ovale Strukturen im oberen Drittel, flankierend kranial und kaudal). Die Rippen sind quer angeschnitten, bei Gefäßen oder Organen würde man von der „kurzen Achse (SAX)“ sprechen. Unmittelbar unterhalb der Rippen sieht man nichts, denn der Knochen des Erwachsenen ist zu dicht, um von den Schallwellen durchdrungen werden zu können. Es kommt zur Totalreflexion und damit zu einer „dorsalen Schallauslöschung“ (auch „Schallschatten“ genannt). Ventral der Rippen lässt sich die Thoraxwand mit Haut, subkutanem Bindegewebe und Muskulatur erkennen. Dorsal der Interkostalmuskulatur sieht man eine echoreiche, waagerechte Linie: die Pleura. Bei einer gesunden Lunge lässt sich an dieser Stelle das physiologische Pleuragleiten als „Ameisenlaufen“ beobachten.

Artefakte
Der Lungenultraschall (LUS) ist in diesem Kontext ein anschauliches Beispiel, denn er besteht im Wesentlichen darin, physiologische von pathologischen Artefakten zu unterscheiden. Grund dafür ist, dass sich die gesunde Lunge wegen des Impedanzsprungs zwischen luftgefülltem Lungengewebe und der Thoraxwand sonographisch nicht darstellen lässt. Doch aus den Artefakten, die hier besprochen werden, können wir diagnostische Rückschlüsse ziehen, um dadurch z.B. bei Patient*innen mit Z.n. Thoraxtrauma einen relevanten Pneumothorax mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Ist der Pleuraspalt mit Luft gefüllt, fehlt das „Ameisenlaufen“ als Charakteristikum des Lungengleitens (Lung sliding). Die parallel zur Pleura verlaufenden, echoreichen Linien, welche sich auch in Abb. 6 schallkopffern darstellen, werden als A-Linien bezeichnet. Sie sind physiologisch und stellen Reverberationsartefakte dar. Ein kompliziertes Wort für eine einfache physikalische Begebenheit. Die ausgesendeten Schallwellen werden nämlich durch den oben erwähnten Impedanzsprung zurückgeworfen. Manche Schallwellen werden dabei mehrfach an der Grenzfläche reflektiert und gelangen dadurch etwas später zurück zu den Piezokristallen. Das Ultraschallgerät errechnet aus dieser Laufzeitdifferenz eine größere zurückgelegte Strecke, woraus die parallel versetzten „Spiegelungen der Pleura“ resultieren. B-Linien (auch: „Kometenschweifartefakte“) verlaufen hingegen vertikal zur Hautoberfläche und kommen bei Gesunden nur in geringer Zahl vor (vgl. Tyndall-Effekt). Pro Interkostalraum sollten nicht mehr als zwei B-Linien zu sehen sein. Sie werden durch pleuranahe Flüssigkeit im Interstitium der Lunge hervorgerufen (again: Reverberationsartefakt) und korrelieren in ihrer Anzahl positiv mit der Menge des intrathorakalen Flüssigkeitsgehalts. Sehr viele (ggf. konfluierende) B-Linien können z.B. hinweisgebend für ein Lungenödem, eine COVID-19 Pneumonie oder für eine Lungenkontusion (B-Linien treten lokal begrenzt auf) sein. Einen Überblick zu B-Linien im Ultraschall findest du in diesem Video von 5-minutes-Sono. Wenn du selbst einmal B-Linien darstellen willst, dann behalte einen Schluck Mineralwasser im Mund und positioniere den Schallkopf transversal hinter deinem Kinn, wie in folgendem Video (eigene Aufnahme).
Schallkopfnah siehst du die Mundbodenmuskulatur, gefolgt vom mineralwassergefüllten Mundraum. Kippt man den Schallkopf hin und her, lassen sich hinter dem echoarmen Mineralwasser B-Linien darstellen („Talk nerdy to me“). POCUS ermöglicht eine schnelle Differentialdiagnostik und bewahrt dadurch v.a. multimorbide Patient*innen vor einer Übertherapie mit der Schrotflinte (in Form von gleichzeitiger Behandlung aller denkbaren Ursachen ihrer Dyspnoe). Wenn du noch mehr über Lungenultraschall lernen willst, findest du hier ein Video von Felix im Kontext COVID-19. Dieses Open-access Review von Rocca et al. enthält einige sehr übersichtliche Abbildungen und Algorithmen und fasst die Thematik für die Akutmedizin gut zusammen.
Im Folgenden sind weitere wichtige Artefakte aufgeführt, welche im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung im B-Mode auftreten können. Manche davon sind störend, manche sind hilfreich bei der (Differential-)Diagnostik.
- Spiegelartefakt (hier hervorgerufen durch freie Flüssigkeit im Morrison-Pouch)
- Dorsale Schallverstärkung (am Beispiel einer Nierenzyste)
- Dorsale Schallauslöschung (wie oben beschrieben, hier am Beispiel eines Gallensteins)
- Randschattenphänomen (gut erkennbar dorsolateral von dieser verdickten Gallenblasenwand)
- Schichtdickenartefakt (Schallkeule trifft auf schräge Grenzfläche und führt zu unscharfem Randsaum)
Farbfernsehen
Der Blutfluss innerhalb des Gefäßsystems wird mithilfe der Farbdopplersonographie (auch: Color-Flow-Doppler, oder: farbkodierte Duplexsonographie, FKDS) visualisiert. Dieser Modus ist bei den meisten Geräten verfügbar. Durch die Farbkodierung lassen sich laminare und turbulente Strömungen, sowie deren Flussrichtung nachvollziehbar darstellen. Je heller die Farbe, desto schneller ist die Fließgeschwindigkeit. Bewegt sich der Blutfluss auf den (angulierten) Schallkopf zu, wird er rot abgebildet. Bewegt sich der Blutfluss vom Schallkopf weg, wird er blau abgebildet. Turbulente Strömungen stellen sich im Farddoppler bunt dar. Durch die farbige Kennzeichnung lassen sich Gefäße innerhalb des Bildausschnitts identifizieren und von anderen Strukturen abgrenzen. Wenn du dir z.B. nicht sicher bist, ob du bei der Abdomensonographie (mit dem Konvexschallkopf) die Gallenblase oder ein großes Blutgefäß vor Augen hast, hilft eine schnelle Aktivierung des Farbdopplers: Die Gallenflüssigkeit ist nicht in Bewegung und generiert somit kein Farbsignal. Der farbkodierte Ausschnitt lässt sich meist innerhalb des dargestellten Bilds verschieben und verkleinern bzw. vergrößern. Hier noch ein paar Tipps für die Farbdopplersonographie:
- Anguliere den Schallkopf ein Stück, um eine Beurteilung der Flussrichtung zu ermöglichen
- Beachte, dass die Einstellung der Farbkodierung (rot/blau) veränderbar ist (kenne dein Gerät)
- Berücksichtige, dass sowohl Auflösung als auch ggf. Akkulaufzeit im Farbdoppler-Modus verringert sind
Jetzt aber genug der öden Theorie, lass uns zum Schluss noch ein wenig Ultraschall in der Praxis besprechen.
Fallbeispiel: Am Strand
Du liegst mit deinen Freund*innen (und deinem Schallkopf) im Strandbad an einem Badesee. Dein Kumpel kommt gerade vom 5-Meter-Sprungturm des nahegelegenen Pools zurück. Er sei mit dem Abdomen auf die Wasseroberfläche geprallt und klagt nun über Kreislaufbeschwerden und abdominelle Schmerzen. Du entscheidest dich für eine eFAST Untersuchung auf dem Strandtuch. Das Akronym bedeutet „Extended Focused Assessement with Sonography in Trauma“. „Extended“ steht für den sonographischen Ausschluss eines Pneumo- bzw. Hämatothorax mittels jeweils zwei hoher Flankenschnitte und Interkostalschnitten beidseits. Abseits der parasternalen Interkostalschnitte macht es Sinn, eine hohe Eindringtiefe für einen besseren Überblick über die Blutungsräume zu wählen.

Subxiphoidaler
Schnitt

Zunächst wählst du einen subxiphoidalen Schnitt um das Herz im Vier-Kammer-Blick zu betrachten. Der Schallkopf wird hierbei transversal und besonders flach aufgelegt und anschließend etwas nach rechts anguliert. Du siehst keinen echoarmen Randsaum der auf einen Perikarderguss hinweist. Betrachte v.a. den Bereich zwischen Leber (Schallfenster) und rechtem Ventrikel. Geübte Augen sehen außerdem keine groben Wandbewegungsstörungen (stell dir jeweils einen Punkt in der Mitte der Ventrikel vor: bewegt sich das Myokard gleichmäßig darauf zu?) und die Proportionen zwischen den vier „Kammern“ sehen im „Eyeballing“ (ohne Messung) auch physiologisch aus.
Rechter oberer
Quadrant (RUQ)

Du bittest deinen Kumpel seinen Arm hochzulegen, um einen besseren Blick zwischen den Rippen hindurch zu erhaschen. Du siehst die Pleura als echoreiche Begrenzungslinie kranial der Leber. Weiter links im Bild befinden sich das Lungengewebe und der Recessus costodiaphragmaticus. Hier kann sich Flüssigkeit ansammeln (z.B. wie bei diesem Pleuraerguss mit „Spine Sign“). Im selben Bildausschnitt betrachtest du den sogenannten „Morrison-Pouch“. Dieser Blutungsraum (auch Recessus hepatorenalis) stellt sich physiologisch als schmale, echoreiche Linie zwischen Leber und rechter Niere dar und hier befindet sich auch in diesem Fall keine freie Flüssigkeit.
Linker oberer
Quadrant (LUQ)

Sowohl beim subxiphoidalen Schnitt als auch bei den Sagittalschnitten der beiden oberen Quadranten, macht es Sinn ggf. Atemkommandos zu geben (abhängig vom Verletzungsmuster). Bei forcierter Einatmung lassen sich Leber, Milz und Herz meist besser darstellen. In diesem Schnitt des LUQ wird der Recessus costodiaphragmaticus der linken Seite betrachtet, auf die gleiche Weise wie zuvor rechts. Außerdem suchst du nach Anzeichen für freie Flüssigkeit (meist keilförmig und echofrei ggf. bei bereits koagulierten Hämatomen auch echoreich) im sogenannten „Koller-Pouch“ zwischen Milz und linker Niere. Hier sieht aber ebenfalls alles unauffällig aus.
Suprapubischer
Querschnitt

Zwischen Rektum und Uterus (Excavatio rectouterina) bzw. zwischen Rektum und Blase (Excavatio rectovesicalis oder „Proust-Raum“) liegt ein wichtiger Blutungsraum. Als tiefster Punkt der Bauchhöhle sammelt sich hier (rein physikalisch) in Rückenlage recht zuverlässig die freie Flüssigkeit. Klinisch wird häufig beides als „Douglas-Raum“ bezeichnet, auch wenn damit eigentlich die Excavatio rectouterina gemeint ist. Außer einer gut gefüllten Harnblase ist in diesem Querschnitt alles unauffällig. Du siehst einen echoarmen Blaseninhalt und schallkopffern bzw. dorsal der Harnblase keine Flüssigkeitsansammlungen (ventral des Rektums).
Suprapubischer
Längsschnitt

Anschließend drehst du den Schallkopf um 90° in die Sagittalebene. Wenn sich keine Harnblase darstellen lässt, liegt es meist daran, dass sie entweder frisch entleert wurde oder an der Schallkopfposition. Neige (bezieht sich auf beide Ebenen) den Schallkopf in diesem Fall weiter Richtung kleines Becken bzw. verschiebe ihn weiter in Richtung Symphyse. Auch im Längsschnitt sieht die Harnblase und die kaudal gelegene Excavatio rectovesicalis physiologisch aus. Im Anschluss an die Untersuchung kehrst du zur Thoraxwand zurück. Wähle hierfür eine deutlich niedrigere Eindringtiefe, um das Pleuragleiten besser sehen zu können und drehe den Gain etwas herunter.
Interkostalschnitt
(Bilateral)

Es bietet sich an, den Schallkopf etwas weiter lateral aufzusetzen als in der Abbildung links dargestellt bzw. ihn bis auf Höhe der Medioklavikularlinie zu verschieben. Die Sensitivität wird zwar durch Untersuchung an mehreren Punkten der Thoraxwand erhöht, allerdings auf Kosten der Zeit. Ziel ist es jedoch, einen großen Pneumothorax auszuschließen. Achte auf das Vorhandensein von Pleuragleiten („Ameisenlaufen“), die Darstellbarkeit vereinzelter B-Linien und ggf. das Vorliegen von Lungenpuls oder gar eines Lungenpunkts. M-Mode im Rahmen des Lungen-Ultraschalls (LUS) gilt als overrated, kann aber bei Unsicherheit ergänzend eingesetzt werden (vgl. „Seashore-„ und „Barcode-Sign“).
Eine eFAST-Untersuchung sollte nicht länger als ein bis maximal zwei Minuten dauern. Mit etwas Übung findest du die Punkte schnell und sicher auf und kannst bei der richtigen Indikation einen relevanten Unterschied bewirken. Gewöhn dir an, parallel Loops aufzunehmen. Das ermöglicht dir ein genaueres Betrachten im Nachhinein (z.B. während des Transports) und eine Dokumentation deines Befundes (für die Übergabe etc.) In diesem Video siehst du ein eFAST in Echtzeit mit Kennzeichnung der Strukturen und verbalen Erklärungen. Ja, im Video wird der M-Mode gezeigt (niemand hält dich auf, wenn du ihn unbedingt machen willst) und nur der horizontale suprapubische Schnitt. Einige Quellen empfehlen den suprapubischen Sagittalschnitt mitzubeachten, der hierfür benötigte, zusätzliche Zeitaufwand ist vernachlässigbar gering.
Kernaussagen
Hast du zügig bis hierher gescrollt weil dich vor allem die Abbildungen interessieren? Kein Problem! An dieser Stelle möchte ich noch einmal kurz zusammenfassen, was wir hier besprochen haben:
POCUS vereint die Medibubble schon seit geraumer Zeit und wird zunehmend populärer und (zurecht) immer besser untersucht und immer öfter empfohlen. Dieser Artikel soll Lust auf mehr machen, zum Weiterlernen und Vertiefen anregen und dabei helfen, das Ultraschall-Virus zu verbreiten. Eine kleine Sammlung zu Grundregeln und Tipps, sowie Indikationen, Evidenz und hilfreichen Quellen will dich dabei unterstützen. Wir sind mit einem kleinen Einstieg gestartet: jede Minute mit Schallkopf in der Hand ist entscheidend. Am besten klappt das unter Supervision. In der Notfallsonographie gilt es sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, ansonsten verplempert man Zeit. Nicht jeder Befund hat eine sofortige interventionelle Konsequenz, hilft aber bei der Wahl der Zielklinik und ermöglicht durch schnelle Differentialdiagnostik eine gezieltere Therapie und die Vermeidung von Übertherapie. Wir haben über die wichtigsten Indikationen gesprochen, die unter folgenden Arbeitsdiagnosen in der Akutmedizinischen Versorgung zusammengefasst werden können: Unklarer Thoraxschmerz, akute oder progrediente Dyspnoe, abdominelle Beschwerden, undifferenzierter Schock, relevantes Trauma (v.a. den Torso betreffend) und Reanimation. Anschließend haben wir Benefits anhand von ausgesuchter Evidenz besprochen, um dann möglichst zügig zum praxisorientierten Teil zu gelangen: Wie bezeichnet man die unterschiedlichen Schallkopfbewegungen? Welche Sondentypen gibt es und welche Bildausschnitte werden erzeugt? Wie kommuniziert man einen Befund und welche Artefakte begegnen einem während einer Ultraschalluntersuchung gegebenenfalls? Passend übergeleitet vom farbenfrohen Doppler landeten wir am Strand und untersuchten deinen potenziell verletzten Kumpel mittels eFAST. Glücklicherweise gab es ein Happy End: niemand kam ernsthaft zu Schaden. Doch wir haben wieder ein bisschen Sicherheit und Fortschritt gewonnen auf unserer Reise durch die zauberhafte Welt von POCUS.

Quellensammlung POCUS
- The Pocus Atlas
- Thieme Scanbooster (kostenpflichtig)
- Core Ultrasound
- POCUS-grams (critical care Northampton)
- Sono4you Graz
- POCUSmeded
- Neuraxiom
- @NephroP
- @Aidan_Baron
- @5minSono
- POCUS Archive (dasFOAM)
- FOAM Notfallsonographie (news-papers)
- Ultrasound Library (liftl.com)
- Basiswissen POCUS
- Sono Grundkurs
- Der Echo-Guide
- The POCUS Manifesto

Der Artikel darf im Sinne von #FOAMed ausdrücklich gerne studiert und zitiert, geteilt und verteilt, ausgedruckt und ausgelegt, geknickt und verschickt werden. Ein Teil der aufgeführten Quellen sind leider kostenpflichtig.
Wie immer gilt: Der Einzelfall entscheidet. Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit und die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr. Die Verantwortung liegt bei den Behandelnden. Der Text stellt die Position des Autors dar und nicht unbedingt die etablierte Meinung und/oder Meinung von dasFOAM.