Reanimation ist vor allem Drücken, Pusten und Schocken — richtig. Aber ist das wirklich der vollumfängliche Anspruch an (inter)professionelle Akut- und Notfallmediziner*innen? Hoffentlich nicht.
Für Resuscitation-Profis wie Dich haben wir ein extra Ass im Ärmel: Die dasFOAM Pocketcards zur Reanimation und zum Management bei ROSC/Pseudo-PEA, die „beyond the algorithm“ gehen.
Checklisten und Merkhilfen sparen „grüne Kügelchen“ und können die Performance des Teams deutlich verbessern. Hot off the press empfiehlt auch der ILCOR Consensus on Science with Treatment Recommendations (CoSTR): „Cognitive aids are suggested for healthcare professionals involved in resuscitation“.
Die Pocketcards sind Gedankenstütze und Dokumentationshilfe („wie viel Adrenalin haben wir nochmal gegeben?“) zugleich. Sie sollen dir sowohl Übergabesituationen als auch die Reevaluation und Entscheidungsfindung im Team erleichtern. Sie richten sich an alle in der Notfall- und Akutmedizin tätigen ALS Provider — außerklinisch wie innerklinisch. Die Pocketcards können von erfahrenen Anwender*innen flankierend zu den Leitlinien und darüber hinaus angewendet werden. Einige Basics wurden bewusst als bekannt vorausgesetzt. Es kann je nach individuellem Setting notwendig sein, einige der aufgeführten Punkte zu überspringen.
Hier findest du die Pocketcards zum Download:
Download: dasFOAM Pocketcard Reanimation v1-4
Bastelanleitung:
- PDF-Datei sichern, markieren und in das Druckermenü gehen
- Papier im DINA4 Format verwenden
- Druckeinstellungen:
- DINA4 Hochkant, einseitiger Druck
- „Vier Seiten pro Blatt“
- Farbdruck mit optimaler Qualität
- Unteren Teil abtrennen
- In der Mitte falten
- Laminieren und Ecken abrunden
- Fertig!
Ein paar Gedanken und Erläuterungen zu den einzelnen Inhalten:
Wir gehen im Folgenden nicht auf alle inhaltlichen Punkte ein. Dennoch wollten wir zu einigen kontroversen (auch bei uns im Team diskutierten) oder möglicherweise unklaren Aussagen unsere Überlegungen teilen:
- Vorderseite, obere Hälfte
- TOSC (Time of supported circulation) wurde etabliert, um den missverständlichen Begriff der „down-time“ zu vermeiden; sowohl für Cardiac Arrest Receiving Teams im Schockraum relevant als auch für den Rettungsdienst im Kontext Laienreanimation
- Farblich hervorgehoben sind drei Elemente um den visuellen Fokus entsprechend zu lenken: Patient*innenwille, No-Flow-Zeit und frühzeitige eCPR-Entscheidung
- Als 1. Rhythmus sind neben den üblichen Verdächtigen auch Pseudo-PEA und P-Wellen-Asystolie aufgeführt, da sich das Management hier wesentlich von der Standardreanimation unterscheidet; bei Pseudo-PEA animiert der Vorwärts-Pfeil in der Checkbox zum Umdrehen der Karte auf die ROSC-Seite
- Bei mehreren Schockabgaben ist natürlich Vector Change bzw. DSED gefragt; zudem taucht hier das erste Mal ein Stern als Hinweis auf die frühzeitige Frage nach eCPR bei persistierender VF/VT auf
- Adrenalin gibt’s wahlweise als Bolus oder dosisäquivalent kontinuierlich (Cave: auch wenn es physiologisch Sinn ergibt, ist die Datenlage für die kontinuierliche Gabe genauso dünn wie für den generellen Nutzen von Bolus-Adrenalin)
- Im Gegensatz zur landläufigen Praxis sind Lidocain und Amiodaron im Sinne der Leitlinien- und Evidenzlage gleichwertig aufgeführt
- Vorderseite, untere Hälfte
- Mit H’s & HITS als Mnemonic für reversible Ursachen sind wir nie so richtig warm geworden. Warum plötzlich von Organsystem-basiertem/pathophysiologischem Denken zu Buchstabensalat wechseln, nur weil der Puls fehlt? Nichtsdestotrotz ist es ein weitverbreitetes Schema, dessen Bestandteile sich in den reversiblen Ursachen auf der linken Seite vollumfänglich wiederfinden. Die Reihenfolge orientiert sich am ABCDE-Schema; bestimmte reversible Ursachen müssen prioritär angegangen werden, da sie Thoraxkompressionen ineffektiv machen (z.B. Spannungspneumothorax vor Hyperkaliämie)
- Gelbe Sternchen weisen hier wieder auf die Frage nach eCPR bei ausgewählten Arrest-Ursachen hin
- Wichtig: Während man mit „fancy“ Notfallmedizin beschäftigt ist, sollte man nicht vergessen, die Qualität der Thoraxkompressionen zu objektivieren (Druckpunkt? Tiefe? Entlastung? Frequenz?). Diesen Reminder haben wir zusammen mit einigen Kriterien hierfür (TEE, etCO2, DBP) am rechten Rand der Pocketcard verbaut. Die Palpation des peripheren (Brachialis-)Pulses während laufender CPR soll (bei fehlender POCUS-Möglichkeit alternativ) sicherstellen, dass die Thoraxkompressionen auch tatsächlich zu einem Output (Cave: LVOT Kompression) führen und ein steigendes etCO2 nicht „falsch hoch“ durch eine ungewollte Kompression des rechten Ventrikels bedingt ist
- CPRIC steht für „CPR-induced consciousness“; TOR steht für „Termination of resuscitation“
- Rückseite
- Der Titel der Rückseite lautet „ROSC / Pseudo-PEA“, da letzteres von der Herangehensweise eigentlich mehr ein SCAI Schockstadium E und weniger eine Reanimationssituation darstellt.
- Arterieller Zugang bevorzugt linksseitig, den interventionellen Kardiolog*innen zuliebe.
- Der (Nor-)Adrenalin-Perfusor gibt eine Startdosis an, von der aus wirkungsabhängig nachtitriert wird – besonders hilfreich für Menschen, die in „μg/kg/min“ denken und sonst für „ml/h“ kompliziert kopfrechnen müssten
- EOLD steht für „End of life decisions“
Wie der Titel des Artikels verrät war das nicht unsere erste Pocketcard (bisher gibt es welche für RSI, Perfusoren, ITS, ITS Pflege, EKG, Schmerztherapie, Suizidalität, Antibiotika, HEART Score, …) - weitere sind in Planung. Wir hoffen, dass du Gefallen daran findest und sind gespannt auf dein konstruktives Feedback und freuen uns über Verbesserungsvorschläge!
Changelog:
- Veröffentlicht wurden die Pocketcards V1.4 zu „Reanimation“ und „ROSC / Pseudo-PEA“. Die vorherigen Versionen 1.0 - 1.3 wurden bereits in einem dasFOAM internen Peer-Reviewprozess überarbeitet.
Artikel von #dasFOAM zum Weiterlesen:
- Reversible Ursachen des Kreislaufstillstands – HITS aus Frankreich
- Reversibler Kreislaufstillstand – mehr als H’s und HITS
- Hilfe, ein Perfusor
- Der Tod des Pulschecks – wie wir ihn kennen.
- Daumen hoch zur Maskenventilation
- Die Maske muss NICHT dicht sitzen zur Reanimation #BeiluftIstOk
- Kreislaufstillstand – Eine Videoanalyse
- CPR-assoziiertes Bewusstsein
- Die Zukunft: ECMO statt normaler Reanimation?
- TCA: Drücken ist zwecklos.
- TCA: Drücken ist nicht zwecklos!
- Präklinische Crashsectio – Die reanimationspflichtige Schwangere im RTW
- Korrekte Einsatznachbesprechung
Weitere empfehlenswerte Quellen:
- ERC/GRC Leitlinien 2021 (Hier schön zusammengefasst von Nerdfallmedizin)
- AHA Guidelines 2020 (Again: Zusammenfassung von Nerdfallmedizin)
- Zero point survey: a multidisciplinary idea to STEP UP resuscitation effectiveness (Reid et al. 2018)
- Psychological skills to improve Emergency care providers‘ Performance under stress (Lauria et al. 2017)
- Helman, A. Simard, R. Weingart, S. PEA Arrest, PseudoPEA and PREM. Emergency Medicine Cases. October, 2019.
- Helman, A. Gray, S. Weingart, S. Tillmann, B. Episode 169 – Cardiac Arrest Controversies: Chest Compressions, Dual Defibrillation, Medications and Airway. Emergency Medicine Cases. May, 2022.
- Helman, A. Episode 170 Cardiac Arrest – PoCUS Integration, Communication Strategies, E-CPR, Calling the Code. Emergency Medicine Cases. June, 2022.
Bildquellen: Beitragsbild (Spielkarte) von Daniel Rykhev auf Unsplash. Archivbild (Katze) von Max Laun.
Ein besonderer Dank gilt Vincent Weber für das wunderbare Design und seinen Fokus auf das Wesentliche. Darüber hinaus ein großer Shoutout an den konstruktiven und gleichzeitig sehr amüsanten Reviewprozess!
Wichtig: Der Artikel und die Angaben auf den Pocketcards wurden von den Autor*innen mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft und dürfen im Sinne von #FOAMed unter Angabe der Originalquelle ausdrücklich gerne studiert und zitiert, geteilt und verteilt, ausgedruckt und ausgelegt, geknickt und verschickt werden. Nichtsdestotrotz können wir keine Gewähr für deren Richtigkeit übernehmen. Die Angaben erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr. Die Verantwortung liegt immer bei den Behandelnden. Der Einzelfall entscheidet. Die Pocketcards sind keine Therapieempfehlung und kein Medizinprodukt! Der Inhalt stellt die Position der Autoren dar und nicht unbedingt die etablierte Meinung und/oder Meinung von dasFOAM.
Vielen Dank! Ich hätte mich noch über ein paar kurze Punkte zum Thema Trauma-CPR gefreut.